Längere Atomlaufzeiten nur "im Einzelfall"

Die Welt vom 16. November 2009

Umweltminister Röttgen enttäuscht Hoffnungen der AKW-Betreiber - CSU will Konzernen Vergünstigungen streichen

Berlin - Die Betreiber der deutschen Atomkraftwerke dürfen offenbar trotz der Wende in der Atompolitik unter schwarz-gelb nicht auf den bedingungslosen Weiterbetrieb aller 17 Reaktoren hoffen. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) schränkte am Wochenende ein: "Es kann Laufzeitverlängerungen im Einzelfall geben."

Ziel einer Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke sei es lediglich, "das Zeitalter der regenerativen Energien schneller zu erreichen", betonte Röttgen. "Denn ein Hauptteil der zusätzlichen Gewinne soll dazu genutzt werden, erneuerbare Energien von der Forschung bis zur Anwendung zu fördern."

Der Nachfolger von Sigmar Gabriel (SPD) an der Spitze des Bundesumweltministeriums stellte klar: "Das Geld ist nicht zur allgemeinen Finanzierung des Haushaltes da. Es gibt eine feste Achse: Zusatzgewinne aus Atomkraft fließen in die Förderung der erneuerbaren Energien."

Die Laufzeit-Verlängerung für Atomkraftwerke wird auch von anderen Unionspolitikern jetzt an weitere Bedingungen geknüpft. Der CSU-Umweltsprecher im Bundestag, Josef Goppel, kündigte neue Hürden neben schon geplanten Sicherheitsauflagen und Gewinnabschöpfungen an. Er gehe dabei von einer klaren Mehrheit in der Koalition aus, sagte er.

"Wenn die Betreiber aus dem Atomausstiegsvertrag heraus wollen, müssen sie auch umfassende Vergünstigungen aufgeben, die ihnen im Jahr 2000 von Rot-Grün eingeräumt wurden", sagte Goppel. Das sei die andere Seite der Medaille. Andernfalls sollte es beim gesetzlich festgelegten endgültigen Atomausstieg bis 2022 bleiben.

Zu solchen Vergünstigungen gehörten steuermindernde Rücklagen, die Begrenzung der Versicherungspflicht auf 2,5 Mrd. Euro und andere Wettbewerbsvorteile. Nicht auszuschließen sei, dass solche Korrekturen von E.on, RWE, Vattenfall und EnBW abgelehnt würden. "Dann aber gibt es keine Verlängerung der Laufzeiten."

Offen war, ob das Thema in der Regierungsklausur an diesem Dienstag und Mittwoch im brandenburgischen Meseberg eine Rolle spielt. Laut Koalitionsvertrag soll erst im Laufe des Jahres 2010 ein umfassendes Energiekonzept erarbeitet werden. Dann soll sich auch die Dauer von AKW-Laufzeiten klären. Nach Auffassung von Goppel drängt jedoch die Zeit.

Mit Steuervorteilen für Rücklagen konnte die Atomwirtschaft günstiger Vorsorge für die spätere Beseitigung der Kraftwerke treffen. Nach Auffassung von Goppel ist dies im Vergleich zu anderen Unternehmen ebenso ungerecht wie die Begrenzung der Versicherung auf 2,5 Mrd. Euro. Es sei absurd, wenn die Atomwirtschaft glaube, diese billige Vorsorge könne sie 60 Jahre lang betreiben. Auch müssten die Abstände der Sicherheitsprüfungen für jedes AKW von zehn Jahren verkürzt werden.

Die SPD will trotz dieser Einschränkungen eine Wende in der Atompolitik nicht hinnehmen. "Der von der neuen Regierung geplanten Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke werden wir uns mit einer öffentlichen Kampagne in Zusammenarbeit mit den Umweltverbänden entgegenstellen", heißt es in einem vom SPD-Bundesparteitag in Dresden einstimmig angenommenen Antrag.