Tempolimit ist für die Deutschen was Irrationales

Beitrag im Deutschlandradio am 29. Oktober 2007

Der CSU-Politiker Josef Göppel, Umweltobmann der Unionsbundestagsfraktion, hat sich für die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 130 Kilometer in der Stunde ausgesprochen. Eine glaubwürdige Klimapolitik müsse alle Maßnahmen einschließen. Zudem wachse in der Bevölkerung die Zustimmung zu einer solchen Maßnahme, da viele die Drängelei auf den Autobahnen satt hätten. Der Abgeordnete schränkte ein, in seiner Fraktion gebe es dafür keine Mehrheit.

Heinlein: Trotz der Fülle der sozialdemokratischen Forderungen von Hamburg, ein Thema beherrscht heute die öffentliche Diskussion. Mit ihrem Beschluss für Tempo 130 auf Deutschlands Autobahnen überraschten die Delegierten nicht nur die eigene Parteiführung in Hamburg, sondern auch die Kanzlerin. Angela Merkel sah sich deshalb gezwungen, vor ihrer Abreise nach Indien Stellung zu beziehen. Trotz ihrer Klimaoffensive bleibt die CDU-Chefin bei ihrem klaren Nein in Sachen Tempolimit.

Am Telefon begrüße ich jetzt den CSU-Bundestagsabgeordneten Josef Göppel. Er ist Umweltobmann der Unionsbundestagsfraktion. Guten Tag!

Göppel: Grüß Gott!

Heinlein: Sie haben Ihre Fraktionskollegen gerade noch einmal gehört und auch die Kanzlerin. Sie sagt, "mit Sicherheit mit mir nicht". Warum kämpfen Sie dennoch fraktionsübergreifend für ein Tempolimit?

Göppel: Es geht um den Klimaschutz-Beitrag, es geht um einen gleichmäßigeren Verkehrsfluss und es geht um mehr Verkehrssicherheit.

Heinlein: Sind Sie in der falschen Partei? Ihr Landesgruppenchef Ramsauer nennt das Tempolimit ja ein Glanzstück des neuen programmatischen SPD-Gruselkabinetts.

Göppel: Ja das ist die deftige bayerische Ausdrucksweise. Ich habe als Vorsitzender des Umweltarbeitskreises der CSU den Tempolimit-Antrag in den 90er Jahren schon auf dem Parteitag der CSU bestellt. Damals war das Verhältnis zwei Drittel dagegen, ein Drittel dafür. In der Zwischenzeit ist zu beobachten, dass die Stimmung in der Bevölkerung deutlich mehr in Richtung einer Tempogrenze von 130 auf Autobahnen geht.

Heinlein: Und wie ist die Stimmung in Ihrer Fraktion?

Göppel: Da gibt es für den Vorstoß derzeit keine Mehrheit. Das muss man realistisch sehen. Aber es gibt eine latente Bereitschaft, weil eben auch Vielfahrer, die beruflich auf Autobahnen unterwegs sind, doch die Drängelei allmählich satt haben und sehen, wenn sie zum Beispiel in Frankreich oder in der Schweiz unterwegs sind, es ist ein entspannteres Fahren. In Deutschland hört man immer häufiger das Argument, die Drängler von hinten, die bringen mich in Schwierigkeiten, weil man wegen der dichten LKW-Kolonnen auf der Autobahn und wegen der geringen Abstände gar nicht mehr so leicht auf die rechte Spur einfahren kann.

Heinlein: Können Sie denn Ihre Kanzlerin verstehen? Sie kämpft weltweit, europaweit ganz massiv für den Klimaschutz, ist aber jetzt ganz offensiv gegen ein Tempolimit. Passt das zusammen?

Göppel: Ich werde für diese Argumente unermüdlich werben und ich bin der Meinung, eine glaubwürdige deutsche Klimapolitik muss alle Maßnahmen einschließen. Man kann nicht von Vornherein eine Maßnahme ausgrenzen, die nur ein Prozent bei den Einsparungen bringt, aber das sind immerhin zwei Millionen Tonnen. Wenn man vergleicht, dass das deutsche Gebäudesanierungsprogramm jährlich eine Million Tonnen CO2 Einsparung bringt und eine Milliarde kostet, während das Tempolimit kostenlos ist, dann gibt es doch wohl Gründe, ernsthaft darüber nachzudenken.

Heinlein: Also ist die Klimapolitik von Angela Merkel in diesem Punkt zumindest nicht glaubwürdig?

Göppel: Ich will das nicht so ausführen. Das ist ein Diskussionsprozess. Ich unterstütze die Kanzlerin ja voll und auch in unserer Fraktion, wenn es immer wieder Debatten gibt, wie weit man gehen kann im Klimaschutz. Ich denke da ist auch viel Psychologie im Spiel beim Thema Tempolimit. Das ist für die Deutschen irgendwie was Irrationales. Bei Lichte besehen sind die Sachargumente aber doch wohl stärker.

Heinlein: Ist es Psychologie, Herr Göppel, oder ist es die Auto-Lobby, die in Deutschland so stark ist wie nirgendwo sonst in Europa?

Göppel: Ich höre von Kolleginnen und Kollegen im Bundestag, dass doch ein deutlicher argumentativer Druck ausgeübt wird.

Heinlein: Können Sie das erklären?

Göppel: Ja. In Richtung der angeblich gefährdeten Arbeitsplätze. Ich bin aber der Meinung, dass Autos, die immer mehr Rohstoffe verbrauchen, weil sie schwerer werden, und Autos, die immer mehr Energie verbrauchen, letztlich in eine Sackgasse führen auch für die Arbeitsplätze der deutschen Autohersteller. Weltweit haben wir doch ein Problem von Rohstoffknappheit und Energieknappheit und wer sich als erster darauf einstellt, der sichert die Arbeitsplätze in der Zukunft.

Heinlein: Die Argumente Ihrer Fraktionskollegen die sagen, die freie Fahrt auf deutschen Autobahnen sei ein Wettbewerbsvorteil für die deutsche Autoindustrie, das können Sie so ganz nicht nachvollziehen?

Göppel: Das ist ein reines Gefühlsargument. Die internationalen Rahmenbedingungen gehen in eine völlig andere Richtung. Der von mir sehr geschätzte Kollege Fischer denke ich wird bei ruhiger Betrachtung und Abwägung der Argumente doch auch vielleicht zu einer anderen Position kommen.

Heinlein: Können Sie mir dennoch erklären, warum in Deutschland diese Meinung vorherrscht und in ganz Europa, weltweit muss man ja sogar sagen ein Tempolimit akzeptiert wird? Warum ist es in Deutschland anders?

Göppel: Ich kann nur sagen da hat sich emotional etwas festgefressen. Da haben wir eine ideologische Schwelle.

Heinlein: Die SPD hat sich ja nun aber ganz klar und überraschend festgelegt. Die Grünen sind ohnehin dafür. Wird es nun einfacher für Sie, das Thema Tempolimit fraktionsübergreifend wieder politisch in Berlin auf die Tagesordnung zu bringen?

Göppel: Es wird jetzt sehr darauf ankommen, wie ernsthaft die SPD-Fraktion das Thema einbringt, und es wird auch darauf ankommen, wie deutlich die Europäische Kommission die Harmonisierung der Verkehrspolitik in Europa in diesem Punkt vorantreibt.

Heinlein: Heißt fraktionsübergreifend für Sie auch eine Zusammenarbeit mit den Grünen und den anderen Parteien innerhalb des Bundestages?

Göppel: Ich habe ja vor einigen Monaten einen fraktionsübergreifenden Antrag mit einigen SPD- und Grünen-Abgeordneten eingebracht. Ich denke der Klimaschutz insgesamt sollte sich nicht mehr hinter den Fraktionsgrenzen verschanzen, sondern da ist Offenheit gefragt und natürlich auch das Ringen um die beste Lösung.

Heinlein: Der CSU-Bundestagsabgeordnete Josef Göppel war das. Er ist Umweltobmann der Unionsbundestagsfraktion. Herr Göppel, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören!

Göppel: Bitte schön.