Freier Geist

Natur und Kosmos, November 2007

Lebensweg: Josef Göppel, 1950 auf einem Bauernhof bei Ansbach als ältestes von vier Kindern geboren, macht mit 16 Jahren die Ausbildung zum Waldarbeiter und wird 1972 Revierförster. Bis 1994 arbeitet er als Förster in Herrieden und engagiert sich im Bund Naturschutz. Um zwischen Bauern und Naturschützern zu vermitteln, gründet er den Landschaftspflegeverband Mittelfranken. Für die CSU geht der Umweltkämpfer erst in die Kommunalpolitik, 1994 in den Bayerischen Landtag, 2002 in den Bundestag. Göppel ist seit 1977 verheiratet, das Paar hat vier Töchter.

Aktuelles Statement: „Haushälterischer Umgang mit den Gütern dieser Erde ist urkonservatives Gedankengut. Es ist eine ethische Verpflichtung, aber auch ein wirtschaftlicher Vorteil." Er übernachtet gern im Wald. Er nimmt seinen Rucksack, sucht sich eine Schlafstelle und schichtet Fichtenzweige kreuzweise übereinander. Spätestens wenn es dunkel wird, fühlt er sich als Teil der Lebenswelt im Wald. Dort schläft er ein.

Man kann sich das schwer vorstellen, hier in einem Bürohaus des Bundestages in Berlin. Das Brandenburger Tor ist nur ein paar Meter weg, und gegenüber auf der anderen Seite liegt das „Café Einstein", wo sich die Politgesellschaft mit Küsschen begrüßt. Aber Josef Göppel, Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Umweltausschuss, ist auch Teil dieser Welt. Seit einigen Monaten ist er kein Außenseiter mehr. Er sagt: „Meine Positionen sind Regierungspolitik."

In seinem schmalen Büro zeigt er ein Papier aus dem Frühjahr: „Klimaschutzkonzept der CSU-Landesgruppe - Nationaler Maßnahmenkatalog." Auf neun Seiten hat er darin aufgeschrieben, wie das Land 228 Millionen Tonnen CO2 einsparen kann. „Es gibt verblüffende Ähnlichkeiten zum Kabinettsbeschluss", sagt Göppel. In seinem Lächeln liegt kaum Triumph. Eher eine Spur Verblüffung. „Okay, das Tempolimit fehlt", ergänzt er. Hinter ihm auf einem Fernsehschirm wird eine Debatte aus dem Plenarsaal übertragen. Ein junger Unionsabgeordneter höhnt gerade über die Opposition. Göppel, 57 Jahre alt, trägt ein grünes Sakko. Keinen Schlips, bequeme Schuhe. Meist bewegt er sich in Berlin zu Fuß. Er nimmt nicht den Fahrstuhl, sondern die Treppe. Er hat breite, kräftige Hände und eine gesunde Gesichtsfarbe. Links auf der Stirn eine frische Schramme: Als er neulich im Dunkeln einen erlegten Rehbock aus dem Wald gezogen hat, war ein Ast im Weg.

Josef Göppel ist in Franken, in Rauenzell, auf einem Hof aufgewachsen. Die Familie hatte vier Hektar Acker und drei Hektar Wiesen. Die vier Kühe nannte er beim Namen. Die Olga, die Lena, die Kati und die dreifarbige Scheck. Am besten gefiel es dem Josef aber im Wald. Mit zwölf Jahren übernachtete er zum ersten Mal allein zwischen den Bäumen. Die Mutter machte sich anfangs Sorgen, aber in der Früh war der Bub zum Füttern der Tiere rechtzeitig da. Nachts im Wald sah er sich die Sternbilder an, versuchte die Geräusche von Eichhörnchen und Rötelmaus zu unterscheiden. Der Tau im Gesicht weckte ihn auf. So einer wird Förster.

Mit 20 trat er in den Bund Naturschutz ein und im selben Jahr in die CSU. Mit Gleichgesinnten fischte er in den siebziger Jahren Müll aus den Flüssen und sogar der neue Landesumweltminister empfing die Gruppe in München. Aber die Zweige der Nadelbäume waren längst schütter, der Wald war krank. 1980 stand Göppel auf einem Kongress der Jungen Union Bayern im Saal und reckte eine Fichtenkrone in die Höhe. Man kann sich vorstellen, wie der junge Förster all den Jurastudenten langsam und eindringlich entgegendonnerte. „Schaut euch diese Fichte an."

Wenn er heute über die Politik der vergangenen Jahrzehnte spricht, wird ein gängiges Reaktionsschema der Mächtigen deutlich. Zuerst werden Missstände geleugnet, die Umweltschützer werden verlacht. Dann hätschelt man sie und mit einem Mal wird es dringlich, woraufhin Maßnahmen beschlossen werden, die glücklicherweise zur Entwarnung führen.

Manchmal wirkt Göppel so, als beobachte er die Politik von einem Hochsitz am Waldrand aus. Auf Sitzungen schaut er zuweilen am Redner vorbei und hört dennoch zu. Es sieht aus, als ob er lauscht und zugleich nachdenkt.

In all den Jahren haben einige, die die Macht dazu hatten, ihren Nutzen aus dem Umweltkämpfer gezogen. Bei der „Bild"-Zeitung nahmen sie es dankbar an, wenn Göppel einen Tempo-130-Aufreger lieferte. Und die CSU-Oberen priesen das „grüne Gewissen" ihrer Partei, hörten aber lieber auf die Autoindustrie. „Der ist klasse", hat Jürgen Trittin erst letztes Jahr gerufen, und Sigmar Gabriel lobte: „Ein toller Kollege." Göppel ist für die Umwelt zuständig, die anderen für die Macht -- wenn man ihn fragt, ob es nicht reine Arbeitsteilung war, werden seine Augen schmal. „Glaube ich nicht. Dazu waren die Nadelstiche zu schmerzhaft." Als im Wahljahr 2002 der CSU-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber das Dosenpfand bekämpfte, nannte der CSU-Bundestagskandidat Josef Göppel das eine „krasse Fehlentscheidung". Er hat gespürt, dass er ihnen nicht ins Konzept passte. Auch früher schon, als seine Partei von ihm ein Bekenntnis zur Atomenergie verlangte, das er verweigerte.

In Kampfabstimmungen ist er stets mit einer klaren Ansage gegangen: „Wenn ihr micht wählt, gibt es die Kompromisse nicht schon von vornherein." So hat er sich 1991 den Vorsitz des CSU-Arbeitskreises Umwelt geholt. Aber seine beiden Gegenkandidaten von damals machten später Karriere, der eine wurde in München Umweltminister, der andere Staatsminister in Stoibers Regierungszentrale. Jetzt ist den Chefs der CSU der Umweltschutz furchtbar wichtig geworden. Der ehrgeizige Markus Söder legt sich für den Klimaschutz ins Zeug. Göppel findet das in Ordnung. „Leute wie ich können die Sache nicht allein wenden." Er sagt, dass er selber auf ein Ministeramt verzichten kann. Außerdem drängt ihn seine Frau, sich nicht völlig zu verschließen.

Das Paar hat vor einigen Jahren eine Krankheit überwunden. 2003 wurde Josef Göppel eine neue Niere eingepflanzt. Das Organ stammt von seiner Frau. Sie hat es ihm geschenkt. „Die Rosalinde will, dass wir ein Wochenende im Monat für uns haben", sagt er. Das könnte er im inneren Kreis der Macht vergessen. Auch seine Kompromisslosigkeit könnte er dort möglicherweise vergessen...

Neulich gab es in seinem Wahlkreis einen Verkehrsunfall. Vier Menschen starben auf der Autobahn. Göppel hat Günter Beckstein geschrieben und ihn aufgefordert, noch mal über ein Tempolimit nachzudenken. Es ist ein kurzer Brief. Er hat ein sehr direktes Ende. „Einer der Getöteten war Dein Mann, ein Arbeiter der Autobahnmeisterei."

Göppel hat nach dem Unfall auch an Angela Merkel geschrieben. Der Brief ist ausführlicher und hat einen milderen Ton. Vielleicht, weil Göppel im April auf Einladung des Pfarrers Horst Kasner in Brandenburg war. Kasner ist Merkels Vater und jedes Jahr veranstaltet er einen „Tag der Erde". Dort ist Göppel Merkels Umfeld aus der Wendezeit begegnet. „Ich habe gemerkt, dass bei den Leuten der Umweltgedanke da ist."

Wenn Göppel sagt, dass es der Kanzlerin ernst sei mit dem Umweltschutz, sieht er glücklich aus. Wie einer, der angekommen ist. Den Brief, in dem er wegen des Autounglücks noch einmal ein Tempolimit verlangt, schließt er mit einem: „In freundschaftlicher Verbundenheit". Politische Mitverantwortung für die Opfer von Verkehrsunfällen hat er ihr trotzdem aufgedrückt.

Von Georg Löwisch

Buchtipp:
Josef Göppel, Joachim Pfeiffer: Konjunktur durch Natur - Wege zu mehr Beschäftigung mit marktwirtschaftlicher Umweltvorsorge. R. Mankauf Verlag, 86 Seiten, 9,90 €.

Bild:
Weltklimakonferenz Nairobi, November 2006: Als Umweltobmann der CDU/CSU-Fraktion gehörte Josef Göppel zur deutschen Delegation. Die Bürgerrechtlerin und Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai ergriff die Gelegenheit und lud ihn zu einer symbolischen Baumpflanzung ein.