Furcht vor der Freiheit

Auszug aus einem Artikel in Focus vom 13.03.2006

„Wir bringen die Politik wieder näher an die Menschen", verspricht Volker Kauder, CDU/CSU-Fraktionschef im Bundestag. Ob diese Nähe dem Bürger nutzt, darüber ist heftiger Streit entbrannt. Schüler, Beamte, Häftlinge und Unternehmer könnten sich am Ende als Verlierer der Reform sehen.
In vielen Ländern, die eigentlich über die neuen Kompetenzen jubeln sollten, wächst die Skepsis. „Wenn jedes Bundesland sein eigenes Dienstrecht und seine eigenen Regeln für den Hochschulzugang und die Abschlüsse macht, behindern wir die Mobilität", warnt Christoph Matschie, SPD-Fraktionschef in Thüringen. Die Entflechtung von Bund und Ländern sei „kein Selbstzweck. Es kommt am Ende darauf an, dass Probleme gut gelöst werden."
Ob dies gelingt, bezweifeln auch die Umweltpolitiker. Zwar darf der Bund ein umfassendes Umweltgesetzbuch auflegen, aber ab 2010 können die Länder vielfach davon abweichen. So könnten etwa die Elbe-Anrainer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen unterschiedliche Deichhöhen festlegen - ein umweltpolitischer Unsinn.
„Alle Experten, egal ob rechts oder links, sagen: Das ist Mist, was ihr da macht!", tönt SPD-Ökofachmann Matthias Miersch - und findet als Mitstreiter den Umweltsprecher der CSU-Landesgruppe, Josef Göppel. Obwohl die CDU/CSU-Fraktionsführung vor einem Scheitern der Großreform warnt, bringt Göppel einen Änderungsantrag ein: „Wenn es um große Investitionen geht, werden sich die Länder durch einen Umweltwettbewerb nach unten unterbieten." Der Industrieverband BDI fürchtet um die Rechts- und Planungssicherheit für Unternehmen.