Die Union sollte nicht ideologisch begründet an Kernenergie festhalten

Interview in der Berliner Zeitung vom 23.06.2005

Die Union sollte nicht ideologisch begründet an Kernenergie festhaltenCSU-Politiker Göppel: Union sollte nicht ideologisch begründet an Kernenergie festhalten
Herr Göppel, welchen Stellenwert wird die Umweltpolitik im Wahlkampf der Union bekommen?
Der Stellenwert muss auf jeden Fall größer werden als im letzten Bundestagswahlkampf. Der Verlust des Wahlsieges im Jahre 2002 geht auch auf die Unterbewertung von Umweltfragen zurück. Als die Jahrhundertflut kam, standen wir verloren da. Ich hoffe, dass wir daraus die richtigen Konsequenzen ziehen.
Welche?
Wir müssen die wirtschaftlichen Chancen des Umweltschutzes deutlicher herausstellen. Mit Spitzentechnologien im Umweltbereich können wir den Erfolg Deutschlands auf den Weltmärkten verbessern. Zentrales Ziel der Union ist es ja, Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern und neue zu schaffen. Ich denke zum Beispiel an neue Technologien bei der Energieerzeugung.
In NRW hat die CDU mit ihrem Anti-Feldhamster Wahlkampf behauptet: Umweltschutz kostet Arbeitsplätze.
Unsere bayerische Erfahrung ist anders. Der wirtschaftliche Erfolg Bayerns ist auf unsere Standortqualität zurückzuführen. Und das hat auch mit der Umwelt zu tun. Viele Menschen kommen nicht zuletzt wegen der landschaftlichen Attraktivität gerne nach Bayern. Eine intakte Natur gibt es aber nur mit aktivem Umweltschutz. Wer behauptet, Umweltschutz kostet Arbeitsplätze ist von gestern. Allein im Bereich erneuerbarer Energien sind 130 000 neue Jobs entstanden.
Sie würden also vor einem Anti-Umweltschutz-Wahlkampf warnen?
Einen gegen den Umweltschutz gerichteten Wahlkampf der Union darf es nicht geben. Vorsorgender Umweltschutz ist inzwischen auch für viele unserer Stammwähler ein Anliegen.
Auch für die CSU?
Die CSU hat 2003 ein bemerkenswertes Umweltprogramm beschlossen. Darin wird der Umweltschutz als Chance, nicht als Gefahr gesehen. Das vertrete ich. Und mit mir viele andere in der CSU.
In welchem Bereich sollte die Union offensiver mit dem Thema umgehen?
Neben den erneuerbaren Energien ist der Schutz der Heimatnatur ein wichtiges Anliegen. Umweltschutz ist im Wesenskern ein konservatives Thema. Wir müssen haushälterisch mit der Schöpfung umgehen und auf nachwachsende oder alternative Energiequellen setzen. Das muss auch im Wahlprogramm deutlich werden.
In der Union wollen aber viele den Ausbau erneuerbarer Energien bremsen. Ist das richtig?
Nein. Überhaupt nicht. Den erneuerbaren Energien gehört die Zukunft. Fossile Energieträger wie Öl werden immer knapper. Wir müssen uns um Alternativen kümmern. Deswegen hat die Union auch dem Ziel zugestimmt, den Anteil erneuerbarer Energien bis 2010 auf 12,5 Prozent zu erhöhen.
Angela Merkel hat aber das Ziel, den Ausbau bis 2020 auf 20 Prozent zu steigern als unrealistisch bezeichnet.
Das sehe ich anders. Angesichts der rasanten technologischen Entwicklung in diesem Bereich werden wir das locker erreichen. Die Energienachfrage aus Schwellenländern wie China ist riesig. Der Preis für die herkömmlichen Energien wird allein deswegen steigen. Erneuerbare Energien werden preislich also immer attraktiver und wettbewerbsfähiger. Das Gesetz der Förderung erneuerbarer Energien war übrigens ursprünglich eine Idee der Union, der damaligen Umweltminister Töpfer und Merkel. Das Gesetz ist ein Erfolgsmodell und man sollte es nicht kleinreden.
Ist der Wiedereinstieg in die Atomenergie ein gutes Wahlkampfthema?
Nein. Die CSU formulierte in ihrem Umweltprogramm einen vernünftigen Kompromiss. Wir sagen: Kernenergie braucht man so lange, bis genügend Alternativen da sind. Das braucht Zeit. Wir sollten aber nicht aus ideologischen Gründen an der Kernenergie festhalten.
Befürworten Sie die Verlängerung der Laufzeiten?
Ich bin gegen eine generelle Verlängerung der Laufzeiten. Egal, ob acht oder zehn Jahre. Das sollte man nur im konkreten Einzelfall entscheiden. Man muss den technischen Zustand jedes Reaktors berücksichtigen. Wenn es dann vereinzelt zu längeren Laufzeiten kommt, dann muss man auch darüber diskutieren, was mit den unerwarteten Mehreinnahmen passiert.
Was sollte denn damit passieren?
Das darf nicht einfach in den Kassen der Stromerzeuger verschwinden. Wir sollten das Geld zielgenau zur Erforschung und Entwicklung neuer Energieformen verwenden.
Wird es zu einem Neubau von Atomkraftwerken kommen?
Die Kanzlerkandidatin sagt, dass ein Neubau nicht zur Diskussion steht. Das gilt.