Der Mann, der Schwarz-Grün will

Der Spiegel vom 18.09.2003

Josef Göppel ist CSU-Bundestagsabgeordneter. In seiner Partei trug er zur Durchsetzung der umweltpolitischen Leitlinien bei – unter anderem mit der Forderung nach einer europaweiten Maut. Als einer der wenigen Politiker der Stoiber-Partei kann er sich sogar eine schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene vorstellen.
Berlin – Josef Göppel war schon immer ein wenig anders. Mit seinen Positionen in Sachen Umweltschutz, etwa seiner Forderung nach einem Tempolimit,brachte der Förster seine eigene Partei schon öfters gegen sich auf. Bei den Grünen wäre der 53-Jährige wohl im Lager der Ultrarealos. Doch Göppel ist Mitglied der CSU.
Es gab Zeiten, da hat Göppel an seiner Partei gelitten – und sie an ihm. Vor zwei Jahren fühlte der Sprecher des Umwelt-Arbeitskreises in der CSU sich gar gemobbt, als ihn seine eigene Basis in Ansbach noch nicht einmal zum Schriftführer wählte und sein Wechsel vom Landtag in den Bundestag akut gefährdet war. Es rauschte im regionalen Blätterwald und CSU-Generalsekretär Thomas Goppel reiste gar zum Krisengipfel nach Ansbach an. Damals fühlte sich Göppel an Herbert Gruhl erinnert – jenen Christdemokraten, der einst aus Frust seine Partei verließ, Ende der Siebzigerdie Grünen mit gründete und diese später wieder verließ, als sie ihm zu links wurde. Kürzlich erhielt Göppel den Herbert-Gruhl-Preis der Gruhl-Stiftung. Sie kürte ihn zum „vermutlich profiliertesten Umweltpolitiker Bayerns.“
Göppel, mittlerweile im Bundestag, hat sich mit seiner Partei schon lange wieder versöhnt. Und sie mit ihm. Der Monat Juli war ein Höhepunkt für ihn. Da stimmte die CSU auf ihremParteitag den von ihm maßgeblich geprägten umweltpolitischen Leitlinien zu –unter anderem der Forderung nach einer europaweiten Maut auch für PKW. Im Gegenzug, so der Kompromiss, soll die Kfz-Steuer weg fallen und Mineralölsteuer sinken.
Lange war in der CSU um die Maut gerungen worden. Vor allem Wirtschaftsminister Otto Wiesheu hatte Bedenken. Am Ende konnte Göppel im innerparteilichen Gerangel einen Punktsieg erringen – dank der Fürsprache von CSU-Chef Edmund Stoiber und der vermittelnden Förderung durch Fraktionschef im Bayerischen Landtag, Alois Glück, selbst lange in der Umweltpolitik seiner Partei tätig. Die liberale Presse war über den Maut-Vorschlag voll des Lobes: „Die CSU ist lernfähig“, schriebdie „Süddeutsche Zeitung“, erwähnte Göppel ausdrücklich und sprach von einem „Erfolg für die Umweltpolitiker in der CSU“. Schlagzeilen hatte dieStoiber-Partei auf dem Gebiet des Umweltschutzes wahrlich nötig – die Grünen in Bayern haben ihr auf diesem Feld weitgehend den Rang abgelaufen.
Solotänzer in der CSU
Ein Mann wie Göppel pfleglich zu behandeln, kommt der CSU daher gelegen. Trotz seines Erfolges hat er sich bewahrt, was andere Bundestagsabgeordnete schnell ablegen, wenn sie in die Zwänge der Fraktionspolitik eingebunden werden: ein gewisses Maß an Unabhängigkeit. Zusammen mit Peter Gauweiler, dem anderen Solotänzer in derCSU, stimmte er im Frühjahr in der Unionsfraktion gegen einen Irak-Beschluss.
Göppel ist auch einer der wenigen, wenn nicht gar der einzige CSU-Politiker in Berlin, der sich traut, was andere in der Fraktion nur hinter vorgehaltener Hand aussprechen:Dass irgendwann auch einmal Schwarz-Grün möglich sein muss. Nicht in Bayern, wo sich die Frage angesichts der Dominanz der eigenen Partei und eines wahrscheinlich grandiosen Erfolges bei den Landtagswahlen am kommenden Sonntag ohnehin nicht stellt. Aber in anderen Ländern oder im Bund, wie Göppel erklärt. Einer solchen Koalition – natürlich immer abhängig von der konkreten Wahlarithmetik – stehe er grundsätzlich „positiv und offen gegenüber“, sagt er im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE.
Was vielen in der Fraktion als nahe liegende Variante erscheint, eine neue Regierungskoalition mit den Liberalen um Guido Westerwelle, ist ihm eher fremd. „Ich freue mich nicht auf eine Koalition mit der FDP, weil das ausgelutscht ist“, bekräftigt Göppel. Zwar gebe es mit den Grünen in manchen gesellschaftspolitischen Fragen,wie etwa der Homo-Ehe „große Gegensätze“. Aber in den Punkten einer nachhaltigen Finanzpolitik und der Stärkung der europäischen Regionalisierung “sind sehr viele Gemeinsamkeiten vorhanden“. Bis dahin jedoch ist es ein langerWeg. Das weiß auch Göppel. Am Biertresen, auch in Berlin, sagt er, habe mancher aus der Unionsfraktion schon über Schwarz-Grün sinniert. Aber eben nur am Biertresen.