Ein Plünderungssystem - CSU-Arbeitskreis kritisiert Ideologie des freien Marktes

Nordbayerische Zeitung vom 15.07.2002

Treuchtlingen - Nicht "neoliberaler Turbokapitalismus", sondern ein weltweit angelegtes, ökosoziales Ausgleichsmodell müsse die Grundlage einer fairen Weltwirtschaftsordnung bilden. Diese These vertrat Prof. Franz Josef Radermacher von der Universität Ulm vor dem CSU-Arbeitskreis Umweltsicherung und Landesentwicklung in Treuchtlingen (Kreis Weißenburg-Gunzenhausen).
Die Menschheit, so konstatierte Radermacher, habe aus dem Zusammenbruch des Ostblocks den falschen Schluss gezogen, Markt mit Deregulierung gleichzusetzen. Diese Ideologie des freien Marktes, kritisierte der Leiter eines Forschungsinstituts für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung, sei "ein Plünderungssystem, das die Welt kaputt macht." Radermacher: "Wenn die Rahmenbedingungen nicht richtig sind, dann läuft dieser ökonomische Prozess in ein Desaster". Der Ulmer Wissenschaftler macht sich für eine international angelegte, soziale Marktwirtschaft, für eine Tobin-Steuer auf internationale Devisentransaktionen, eine Weltkerosinsteuer und eine Weltsteuer auf Mineralöl stark. Die Einnahmen daraus sollten unter anderem für die Steuerung des Bevölkerungswachstums in Entwicklungsländern verwendet werden. Der Vorsitzende des Arbeitskreises, Josef Göppel (Herrieden), der bei der Bundestagswahl im Wahlkreis Ansbach als Direktkandidat antritt, erklärte, dass es für einen Wahlsieg der CSU wesentlich sei, "eine überzeugende, langfristige Vision für eine intakte und gerechte Erde" vorzulegen.
Gravierendstes Hindernis auf dem Weg zu sozial-ökologisch balancierten Märkten sei, so Radermacher, "das Denken der momentan Administration in den USA". Dies zeige sich unter anderem an der fehlenden Bereitschaft, dem Kyoto-Vertrag zum Klimaschutz beizutreten.
Radermachers Referat war der Auftakt zur Diskussion eines Programmvorschlags zum Thema " Nur weltweite Gerechtigkeit erhält Frieden und Sicherheit", den der CSU-Arbeitskreis einstimmig verabschiedete. In diesem Papier, das Radermacher als "eine der besten Analysen der Gesamtproblematik, die ich je irgendwo im politischen Umfeld gefunden habe" bezeichnete, fordert der Arbeitskreis die "Schaffung internationaler Finanzierungsinstrumente zur Armutsbekämpfung und nachhaltigen Entwicklung in den Ländern des Südens der Erde" und eine Beendigung der wettbewerbsverzerrenden Steuerfreiheit des Luftverkehrs.