Wie geht es weiter mit dem Euro?

Spekulation eindämmen

Berlin, 7. Oktober 2011  - MdB Josef Göppel hat die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms im Bundestag abgelehnt. Seine Begründung: Die Rettungsschirme verpuffen, solange hochspekulative Finanzwetten gegen Währungen nicht verboten sind und solange die Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte nicht eingeführt wird.

Göppel ist entschieden für unsere Gemeinschaftswährung und deren Stützung. Das muss aber im Rahmen einer gerechten und nachhaltigen Finanzordnung geschehen, die den Grundwerten der sozialen Marktwirtschaft entspricht. Das Konzept des europäischen Stabilisierungsfonds bindet in großem Umfang allgemeine Steuermittel, die für andere öffentliche Aufgaben fehlen und konzentriert den Ertrag bei anonymen Finanzakteuren. Dieser ordnungspolitischen Fehlsteuerung konnte er nicht mehr zustimmen. Die Politik muss ihre demokratische Gestaltungshoheit zurückholen, weil Machtlosigkeit gegenüber dem Markt und die Duldung einer faktischen Nebenregierung letztlich das Vertrauen in die repräsentative Demokratie zerstört.

Die Soziale Marktwirtschaft hat unserer Gesellschaft Wohlstand gebracht, von dem alle profitierten. Die neoliberale Ideologie, nach der Märkte von allen Fesseln befreit werden müssen, hat unser Wirtschaftssystem in eine grundlegende Krise geführt. Nun gilt es, die Rahmenbedingungen wieder am Wohl der Menschen auszurichten.  

Der Markt kann der Allgemeinheit nur dann zu Diensten sein, wenn einige fundamentale Bedingungen erfüllt sind. Hierzu gehört der Grundsatz, dass unternehmerische Chancen und unternehmerische Risiken nicht auseinanderfallen dürfen. Im Klartext: Hat ein Marktakteur die Möglichkeit, Geld zu verdienen ohne dabei im Falle des Falles auch für die etwaigen negativen Folgen seines Handelns einstehen zu müssen, so stellt dies einen nicht zu verantwortenden Fehlanreiz dar. Genau das ist die Verlockung der Rettungsschirme für Banken und Staaten.

Das ganze Ausmaß des Problems wird deutlich, wenn man bedenkt, dass auch Kreditinstitute in „kreative Finanzprodukte“ investieren. Fallen die dahinterliegenden Kredite aus, so stehen diese Banken vor dem Ruin. Sie können dann auch Spareinlagen nicht mehr auszahlen. Das hätte dramatische Folgen für den einzelnen Kleinanleger. Um das zu verhindern muss der Staat in die Bresche springen und mit Steuergeldern die jeweilige Bank vor dem Ruin schützen.  

Solche Mechanismen können nur mit einer weitgehenden gesetzlichen Einschränkung sogenannter kreativer Finanzprodukte wirksam unterbunden werden. Die Entscheidung der EU-Finanzminister am 4. Oktober das außerbörsliche Geschäft mit Derivaten zu regulieren war deshalb überfällig. Künftig müssen Derivate, zu denen auch die in der Krise besonders schädlichen Kreditausfallversicherungen gehören, über eine vom Staat kontrollierte Clearingstelle abgewickelt werden. MdB Josef Göppel sieht darin nur einen ersten Schritt. Er fordert, dass die staatlichen Aufsichtsbehörden besonders riskante Wertpapiere komplett verbieten können.

Ein weiteres hoch problematisches Phänomen sind extreme Schwankungen an den Finanzmärkten. Ein Beispiel: Verkauft ein Börsenhändler auf einmal Wertpapiere für eine Milliarde Euro, so kann dies unter den anderen Marktteilnehmern zu einer regelrechten Panik führen. Alle verkaufen nun und die Preise sinken im Sturzflug. Anschließend kauft der Erstverkäufer seine Wertpapiere wieder zurück – und zwar nun zu einem wesentlich günstigeren Preis. Erwacht der Finanzmarkt am nächsten Tag aus seiner Panik, so erkennt er, dass es keinen wirklichen Grund für das sturzflugartige Sinken der Preise gab. Die Preise steigen wieder und der auslösende Spekulant ist „fein raus“. Solche Geschäfte haben nichts mehr mit der Realwirtschaft zu tun. Täglich wird an den Börsen der Welt das 80-fache des Produktionswerts aller Güter und Dienstleistungen gehandelt. Die gesellschaftliche Unsicherheit durch derartige Phänomene schadet der Realwirtschaft: Investitionen bleiben aus, der private Konsum geht zurück, Unternehmen bekommen weniger Aufträge und müssen Mitarbeiter entlassen.

Spekulation im aktuell zu beobachtenden Ausmaß ist nur dann möglich, wenn der Kauf und Verkauf von Börsentiteln  ohne nennenswerte Kosten geschieht: Die Gebühren für die Transaktionen sind zu niedrig. Wie kann den destruktiven Auswüchsen der Spekulation also begegnet werden?

Einer der berühmtesten Ökonomen – John Maynard Keynes – verfasste im Jahre 1936 ein Buch mit dem Titel „Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“. Zu diesem Zeitpunkt stand die industrialisierte Welt noch unter dem Eindruck des Börsencrashs von 1929 und der Weltwirtschaftskrise. Ein Auslöser dieser Krise waren Spekulationsgeschäfte der oben beschriebenen Art. Keynes schlug daher eine Transaktionssteuer vor. Eine solche Steuer sei unerlässlich, um spekulative Auswüchse wirksam einzudämmen, schrieb er.

Heute stehen wir wieder vor dem selben Problem. Die EU-Kommission hat deshalb die Einführung einer Finanztransaktionssteuer zum 01.01.2014 vorgeschlagen. Damit soll erreicht werden, dass die Finanzmärkte künftig ihre Rettungsschirme selbst finanzieren. Im Euro-Raum erbrächte diese Besteuerung der Geldgeschäfte jährlich 55 Milliarden.

Wie geht es mit dem Euro weiter?

Die Regulierung der Finanzmärkte ist ein wichtiges Element für das dauerhafte Funktionieren des Euro, reicht aber alleine nicht aus. Eine gemeinsame Währung braucht darüber hinaus eine eng abgestimmte Wirtschafts- und Finanzpolitik. Der Grund dafür: Wenn eine Region zum Beispiel durch den Niedergang eines Wirtschaftszweigs oder durch Notfallmaßnahmen in eine Krise gerät, kann sie nicht mehr durch eine Abwertung der eigenen Währung reagieren.

Die Folgen lassen sich derzeit in Griechenland lehrbuchartig beobachten: Die Bevölkerung muss drastische Lohnkürzungen hinnehmen, weil der Staat sparen muss oder Unternehmen sonst im internationalen Wettbewerb nicht bestehen können. Infolge dessen bricht die Inlandsnachfrage ein und die wirtschaftliche Abwärtsspirale dreht sich immer weiter. Für viele Griechen bedeutet das im Moment einen massiven Einbruch des Lebensstandards und unsichere Zukunftsaussichten.

Dieser Teufelskreis kann nur durch eine geordnete Insolvenz durchbrochen werden. Viele Experten halten einen Erlass von 50% der griechischen Staatsschulden für unausweichlich. Beispiele dafür könnten die Umschuldungen von Argentinien und Mexiko sein. Die Europäische Union sollte im Gegenzug darauf bestehen, funktionsfähige Staatsstrukturen, insbesondere durchsetzungsstarke Finanzbehörden, aufzubauen. Vorbild könnte die Heranführung der mittel- und osteuropäischen Staaten an die Europäische Union sein. Die Kandidatenländer erhielten klare Reformvorgaben, die laufend kontrolliert wurden. Bei der Verwaltungsreform unterstützten sie erfahrene Beamte aus den anderen Mitgliedsländern und aus Brüssel. Ergänzend muss Europa Griechenland gezielt beim Aufbau zukunftsträchtiger Wirtschaftszweige unterstützen. Der Umbau der griechischen Energieversorgung hin zu erneuerbaren Energien wäre ein solcher Impuls.

Keinesfalls darf die Europäische Zentralbank dauerhaft Staatsanleihen von Krisenländern aufkaufen. Denn das ist nichts anderes als Staaten mit der Notenpresse zu finanzieren. Die Geschichte lehrt, dass dies unausweichlich zur Inflation führt.

Für einen dauerhaft stabilen Euro muss Europa die Lehren aus dem Fall Griechenland ziehen. Ein Frühwarnsystem muss wirtschaftliche Ungleichgewichte feststellen, die rechtzeitige Anpassung einleiten und notfalls auch durchsetzen können. Eine solche Institution wird derzeit in unterschiedlicher Ausprägung als europäische Wirtschaftsregierung oder Europäischer Währungsfonds diskutiert.

Eine Reform der europäischen Institutionen und eine strenge Regulierung der Finanzmärkte sind das Gebot der Stunde. Nur so kann Deutschland auch in Zukunft vom engen wirtschaftlichen Austausch mit unseren Nachbarländern profitieren.

Artikel vom: 07.10.2011 15:31