Welthandel und Welternährung

Globalisierung braucht soziale und ökologische Grenzen

Herrieden, 17. Juli 2008 - 850 Mio. Menschen leiden heute unter Hunger und Unterernährung. Der Anstieg der Nahrungsmittelpreise verschärft die Lage dramatisch. Ein Ghanaer gibt heute schon 60 % seines Einkommens und damit vier Mal so viel für Lebensmittel aus wie ein Deutscher.

Die Hauptursachen sind die wachsende Bevölkerung und der höhere Fleischverbrauch in Schwellenländern. So werden nicht nur jedes Jahr zusätzlich Lebensmittel für 80 Millionen Menschen benötigt, sondern es hat sich in China auch die Nachfrage nach Fleisch zwischen 1990 und 2005 verdoppelt. Für ein Kilo Fleisch braucht man 7-10 Kilogramm Getreide.

Die deutsche Entwicklungspolitik hat die Landwirtschaft lange Zeit vernachlässigt. Dabei kann gerade sie in Entwicklungsländern Motor der Entwicklung sein. Die Bundesregierung hat deshalb die Landwirtschaft jetzt zum Schwerpunkt ihrer Entwicklungspolitik erklärt. 600 Mio. € stehen zusätzlich für Armutsbekämpfung im ländlichen Raum und zur Stärkung der Landwirtschaft bereit. Josef Göppel hält diesen Schritt für überfällig: „Die Landwirtschaft ist unser aller Lebensgrundlage. Die beste Garantie für langfristig stabile Erträge sind örtlich angepasste Landbauformen und eine einheimische Produktion in jedem Land."

Dem freien Welthandel müssen im Agrarbereich dort Grenzen gesetzt werden, wo die heimische Produktion gefährdet wird. Die Folgen eines ungezügelten Freihandels zeigen sich in Mexiko. Die Mexikaner konnten sich bis zur Gründung der Freihandelszone mit den USA selbst mit Mais versorgen. Nach der Marktöffnung wurde das Land mit subventioniertem Mais aus den USA überschwemmt. Lokale Produktionskapazitäten und damit verbundene regionale Wirtschaftskreisläufe wurden zerstört. Die mexikanische „Tortillakrise" im letzten Jahr hat die neue Verwundbarkeit deutlich gemacht. Nachdem die USA Mais zur Herstellung von Biotreibstoff verwendeten, wurde in Mexiko das Grundnahrungsmittel knapp. Hier ist für Göppel eine weitere rote Linie erreicht: Bioenergie ist ein sinnvoller Beitrag zum Klimaschutz. Die Produktion von Nahrungsmitteln muss aber immer Vorrang haben. Außerdem müssen Energiepflanzen nachhaltig angebaut! werden. „Die Europäische Union muss bis Ende des Jahres Nachhaltigkeitskriterien beschließen, um die Abholzung von Regenwäldern in Indonesien und Brasilien endgültig zu stoppen.", fordert der Umweltobmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Die Ursachen für die steigenden Nahrungsmittelpreise gehen aber noch weiter: Spekulanten haben die Agrarmärkte entdeckt. Die Preise werden künstlich hochgetrieben. So hat sich 2008 beispielsweise der Preis für Baumwolle verdoppelt, obwohl die Lager noch mit der Vorjahresernte gefüllt waren.

Wie kann diese schädliche Spekulation eingedämmt werden? Ein erster Schritt ist sicher die Stärkung der Finanzmarktaufsicht. Die Behörden sollten bei Spekulationsblasen Geschäfte ohne einen realen Warentransfer schneller einschränken können. Josef Göppel spricht sich aber auch für neue Wege, wie eine Devisenumsatzsteuer aus. Die Steuer würde auf alle Geldwechselgeschäfte erhoben. Das Volumen der täglichen Devisentransaktionen beträgt über 1400 Milliarden US$. Mindestens 80 % davon haben eine Laufzeit von weniger als 7 Tagen. Sie entbehren einer realwirt-schaftlichen Grundlage und spekulieren einzig auf Gewinne durch Wechselkursschwankungen. Die Steuer würde unter 1% betragen. Bei echten Warengeschäften wäre sie vernachlässigbar. Spekulative Geschäfte würden aber wirksam eingedämmt und die internationalen Märkte stabilisiert.

Für Göppel liegt die Antwort auf die globale Konzentration in einer verstärkten regionalen Kooperation. Das globale Wirtschaftssystem werde umso stabiler, je mehr regionale Wirtschaftskreisläufe in ihm eingebaut seien. Die Wurzeln der Menschen würden immer in ihrer Heimatregion liegen. Regionale Kreisläufe seien deshalb kein Widerspruch, sondern Voraussetzung für eine Globalisierung mit menschlichem Antlitz.



Artikel vom: 17.07.2008 11:34