EU-US-Freihandelsabkommen nicht um jeden Preis!

Göppel: USA spionieren weiter und wollen zugleich ihre Investoren von EU-Standards entbinden

Berlin, 5. März 2014 - Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA (TTIP) steht unter keinem guten Stern. Erst muss Außenminister Frank-Walter Steinmeier Ende Februar im Namen der Bundesregierung einräumen, dass es wegen des Widerstands aus Amerika kaum zu dem von Berlin gewünschten Verzicht auf gegenseitige Spionage („No-Spy-Abkommen“) kommen wird. Und nun dringen die USA in der Vorbereitung des TTIP derart vehement auf ein Investoren-Klagerecht gegen Staaten, dass jetzt auch das Bundesumweltministerium mahnt, das Abkommen zu überdenken.

Ginge es nach dem Willen Washingtons, würden europäische und deutsche Rechtsgrundlagen aufgekündigt:  Denn sobald sich ein US-Unternehmen im Rahmen von TTIP in Europa durch geltendes nationales oder EU-Recht in seinem Geschäftsgebaren eingeschränkt und damit im Wettbewerbsnachteil wähnte, könnte es dieses Schiedsgericht anrufen – und würde Recht bekommen. In die Praxis übersetzt kann sich jede Firma, die vorgibt, Gewinneinbußen zu erleiden, weil sie künftig in Europa geltende Standards zum Mieter- oder Verbraucherschutz, zum Umwelt- oder Klimaschutz oder durch gewerkschaftliche Errungenschaften wie Arbeitnehmerrechte und Arbeitsschutz einhalten muss, durch das Schiedsgericht von diesen Verpflichtung entbinden lassen.

Aus Sicht von MdB Josef Göppel lautet die bittere Erkenntnis im Kern: „Deutsche Regierungsstellen und Unternehmen müssen davon ausgehen, weiterhin von ihren amerikanischen Partnern ausspioniert zu werden und sollen nun auch noch zustimmen, dass sich US-Investoren nicht an deutsche Standards in Sachen Umwelt-, Arbeit- oder Verbraucherschutz zu halten haben.“ (Die USA sind wichtigstes Ursprungsland von Cyberangriffen: www.sicherheitstacho.eu) Göppel hält ein Freihandelsabkommen auf solchen Grundlagen für fragwürdig,

Auch das Bundesumweltministerium warnt inzwischen vor „grundsätzlichen Gefahren“, weil EU-Standards im  Umwelt- oder Verbraucherschutz aufgeweicht würden. Amerikanische Behörden erteilen leichtfertiger Zulassungen für bedenkliche Chemikalien, Pflanzenschutzmitteln und Nahrungszusätzen und  haben weniger Scheu, gentechnisch veränderte Pflanzen oder Hormonfleisch in den Handel zu bringen. In letzter Konsequenz stehen die weltweit verabredeten Klimaziele zur Disposition, wenn europäische Firmen wiederum auf den Geschmack kommen, ihre Produktion in die USA zu verlegen, weil sie dort nicht wie in der EU für ihre Emissionen CO2-Zertifikate erwerben müssen. Umweltministerin Barbara Hendricks drängt Wirtschaftsminister Gabriel, das Klagerecht von Investoren gegen Staaten zu verhindern.

MdB Göppel hatte schon früh gewarnt: „Das Handelsabkommen darf  grundsätzlich nicht zu einer Aufweichung von sozialen oder ökologischen Standards führen.“ Das Investor-Schiedsverfahren müsse verhindert werden: „Es kann nicht sein, dass einzelne Unternehmen über ein Schiedsgericht die nationale Gesetzgebung aushebeln.“ Schiedsgerichte sind in Investitionsabkommen mit weniger entwickelten Staaten üblich, um Auslandsinvestitionen abzusichern. „In den USA und der EU gibt es funktionierende Justizsysteme, vor denen berechtigte Klagen erfolgreich eingebracht werden können“, so Göppel: „Erst recht Deutschland ist ein Partner auf Augenhöhe, der Schiedsgerichtverfahren selbstbewusst ablehnen kann.“

Andernfalls könnte ein solches Schiedsgericht zum Beispiel entscheiden, dass der Markt für US-amerikanisches Gen-Saatgut geöffnet werden muss. Ähnliche Befürchtungen gibt es in Hinblick auf Rindfleisch, das mit wachstumsbeschleunigenden Hormonen erzeugt wurde oder auf mit Chlor behandelte Hühnchen. Göppel: „Bei der gegenseitigen Anerkennung von Produktzulassungen darf es keine systematische Anpassung nach unten, an die niedrigeren Standards geben.“

Die im Juli 2013 begonnenen Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen USA und EU werfen immer mehr Fragen auf. Es soll der mit Abstand größte Freihandelsraum der Welt ohne Zölle, Quoten und andere Handelsbarrieren entstehen. Schon die ersten Verhandlungsrunden ergaben die aktuellen Irritationen. Zwischen dem 10. und 14. März wird nun weiter verhandelt. Obgleich das Abkommen schon Ende 2014 in den Ratifizierungsprozess – und damit auch in Bundestag und Bundesrat – geht, finden die Verhandlungen weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Göppel: „Wenn wir Abgeordneten entscheiden sollen, brauchen wir entschieden mehr Einsicht und Informationen.“

Artikel vom: 05.03.2014 11:30