Zeichen zum Aufbruch

Eröffnungsrede bei der Gründungsversammlung des Deutschen Verbandes für Landschaftspflege am 04.06.1993 in Berlin.

Das Ziel

Ich begrüße Sie herzlich in Berlin. Wir haben uns heute zu einem wichtigen Werk zusammengefunden. Der bundesweite Zusammenschluß vieler regionaler Aktionsbündnisse aus Kommunalpolitikern, Landwirten und Naturschützern soll die Starre des Naturschutzes in Deutschland überwinden und umweltverträglichen Landnutzungskonzepten zum Durchbruch verhelfen.

Wir wollen eine Allianz für deutsche Kulturlandschaften aufbauen, um eines klarzumachen: Gesunde Lebensgrundlagen und intakte Landschaften sind entscheidende Standortfaktoren. Sie spielen bei Investitionsentscheidungen und auch im Fremdenverkehr eine immer größere Rolle. Sie beeinflussen die ökonomischen Chancen und damit die Gesamtentwicklung von Regionen beträchtlich.

Begrüßung

Ich freue mich sehr, dass der Bundesumweltminister diese Initiative durch seine Teilnahme unterstützt und begrüße Sie, Herr Dr. Töpfer, herzlich in unserer Mitte. Ich möchte an dieser Stelle auch gleich einen Dank sagen an einen Ihrer Mitarbeiter, Herrn Ministerialrat Horst Obermann, der diese Idee von Anfang an auf der fachlichen Ebene getragen und unterstützt hat.

Herr Dr. Töpfer, Sie betreiben Umweltpolitik aus innerer Überzeugung und nicht aus politischem Kalkül. Sie stehen zu dieser Politik auch in schwierigen Zeiten. Das macht Ihre Glaubwürdigkeit aus. Wir wollen mit den Landschaftspflegeverbänden Strukturen aufbauen, die der Umweltpolitik eine breit angelegte und dauerhafte Unterstützung verschaffen.

Beim "gesellschaftlichen Spätankömmling" Umweltschutz, wie er von Professor Wolfgang Haber bezeichnet wurde, muß etwas nachgeholt werden, was im Sozialwesen mit den Trägern der freien Wohlfahrtspflege lange Tradition hat, nämlich die subsidiäre Wahrnehmung staatlicher Aufgaben durch freie Verbände. Jetzt geht es darum, im Naturschutz und in der Landschaftspflege ähnlich erfolgreiche Strukturen aufzubauen.

Ich begrüße weiterhin herzlich Frau Stefanie Wolf, die Vizepräsidentin des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern.

Ich begrüße Herrn Dr. Volker Hassemer, Berliner Senator für Stadtentwicklung und Umwelt-schutz.

Ich begrüße vom Bundeslandwirtschaftsministerium, Herrn Dr. Rolf Jördens, zu dem unser Projekt eine gute Verbindung hat.

Ich begrüße stellvertretend für die Fachreferenten in den Länderministerien Herrn Dr. Wolf-gang Ehmke aus dem Hessischen Landesentwicklungsministerium.

Von der Bundesstiftung Umwelt begrüße ich Herrn Wilhelm Kulke. An ihn möchte ich stellvertretend einen Dank abstatten. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt hat bereits drei unserer Projektanträge positiv bewertet und finanziell unterstützt. Ohne diese Hilfe könnten wir nicht wirksam arbeiten. Ich bitte Sie, diesen Dank dem Kuratorium und Herrn Generalsekretär Brickwedde zu übermitteln.

Vom Deutschen Bauernverband begrüße ich Herrn Hans Leser. Generalsekretär Dr. Born hat mir telefonisch mitgeteilt, dass der Deutsche Bauernverband beabsichtigt, im Deutschen Verband für Landschaftspflege als Fördermitglied mitzuwirken.

Vom Fachverband Garten- und Landschaftsbau begrüße ich Herrn Ingolf Schmoll, den Vor-sitzenden in Berlin und den Umweltreferenten Dr. Michael Henze von der Bundesgeschäfts-stelle in Bonn.

Ich begrüße Dr. Hans Hochberg, den Vorsitzenden des Verbandes zur Förderung extensiver Grünlandwirtschaft.

Herzlich begrüße ich die Vertreter der Medien, insbesondere der Fachpresse, die unsere Arbeit von Anfang an sehr unterstützt haben.

Für die Mithilfe bei der Organisation dieser Veranstaltung danke ich der GAIA, Berlin.

Ostprodukt

Vor kurzem habe ich im Schaufenster eines Ladens in Thüringen gelesen "Jetzt neu - Ostprodukte". Dieses Schild hat etwas mit unserer Initiative zu tun. Die Idee der Landschaftspflegeverbände ist in Bayern entstanden und hat sich von dort zunächst nach Hessen und Ostdeutschland ausgedehnt. In allen fünf neuen Ländern wurde sie von Anfang an aus-schließlich von Einheimischen getragen. Sie wurde auf die örtlichen Verhältnisse angepaßt. Jetzt fließt vieles davon wieder in den Westen zurück und befruchtet dort die Diskussion. Florian Meusel, Peter Haubenreiser und Christoph Mann sind hier stellvertretend zu nennen.

Die Idee der Landschaftspflegeverbände

Landschaftspflegeverbände sind Aktionsbündnisse zur Schaffung maßgeschneiderter Lösungen. Ihre Projekte sind örtlich abgestimmt und haben eine breite Akzeptanz. Sie können Wogen glätten und Konflikte auffangen. Ihre faire und ausgewogene Konstruktion, eben die Drittelparität aus Landwirtschaft, Naturschutz und Kommunalpolitik, schafft Vertrauen und bündelt die Kräfte. Der Deutsche Verband für Landschaftspflege, den wir heute gründen wol-len, ist kein neuer Naturschutzverband. Landschaftspflegeverbände sind auch keine Planungsinstitutionen, sondern sie sind Umsetzungsinstrumente. Gute und fundierte Planungen haben wir, ganze Aktenschränke sind voll davon. Der Engpaß liegt an der Nahtstelle zwischen den Planungen und der praktischen Ausführung.

Landschaftspflegeverbände stellen eine Ausreifung der Instrumente des Naturschutzes dar. Sie sind der logische nächste Schritt, um die Querschnittsaufgabe Naturschutz auch tatsächlich über den engeren Fachbereich hinaus in vielen gesellschaftlichen Schichten und Gruppen zu verankern, denn sie wirken wie eine Symbiose.

Landschaftspflegeverbände sind ein erfolgversprechender Weg, um

  • effektiv ein flächendeckendes Netz natürlicher Lebensräume aufzubauen,
  • die Landwirtschaft in benachteiligten Agrarzonen zu halten,
  • in deutschen Naturräumen Impulse für einen ökologisch angepaßten und dauerhaften Fremdenverkehr zu geben und damit
  • die Kommunalpolitik bei der Hinwendung zu einer nachhaltigen umweltverträglichen und eigenständigen Regionalentwicklung zu unterstützen.

Konzept nach vorn

Zur Zeit rollt eine Sparwelle um die andere über das Land. Das ist sicherlich notwendig, aber es reicht nicht aus. Statisches Denken muß von konzeptionellem Denken abgelöst werden, das nach vorne gerichtet ist. Die Debatte um den Wirtschaftsstandort Deutschland wird derzeit immer noch rein abwehrend gegen soziale und ökologische Anforderungen geführt, aber sie läßt konstruktive Konzepte vermissen. Wir bieten ein solches Konzept an. Landschafts-pflegeverbände als Keimzellen vor Ort können die Hinwendung zu einer naturraumbezoge-nen, nachhaltigen Entwicklung einleiten, die Eigenkräfte von Regionen wecken, ihre Besonderheiten herausarbeiten, die natürlichen Lebensgrundlagen stärken und sie durch angepaßtes Wirtschaften ergiebig erhalten.

Nahrung für die Seele

Letztlich geht es noch um mehr. Neben der ökonomischen gibt es eine ökologische Wertschöpfung. Landschaft ist Nahrung für die Seele. Sie ist für die gemüthafte Verankerung der Menschen im Raum unersetzlich. In unserer technischen Zivilisation, die sich so rasch verändert, brauchen die Menschen Haltepunkte für das Gemüt.

Viele Menschen spüren, dass wir jetzt an einer Weggabelung angelangt sind. Laufen die bisherigen Trends der Industriezivilisation zu immer mehr Vereinheitlichung weiter, in der Kleidung, in den Baustilen, in der Art zu leben überhaupt?

Oder gelingt uns die Hinwendung zu überblickbaren Lebenskreisen mit einem eigenständigen Profil als Anwort auf die Entseelung der Menschen in der zentralisierten Industriewelt?

Der Deutsche Verband für Landschaftspflege


Die Gründung de Deutschen Verbandes für Landschaftspflege soll ein Zeichen zum Auf-bruch sein. Sie soll all diejenigen in der Politik, in der Verwaltung, in der Wirtschaft und in der Ökologiebewegung selbst unterstützen, die ernsthaft an der Hinwendung zu einem nachhaltigen und umweltverträglichen Leben und Wirtschaften arbeiten.

Die Mitgliedschaft im Dachverband der Deutschen Landschaftspflegeverbände soll ein Gütesiegel sein. Er soll durch regelmäßigen und intensiven Erfahrungsaustausch ein hohes fach-liches Niveau der Initiativen und Projekte der Landschaftspflegeverbände sichern. Das ist die Grundvoraussetzung, um auf Dauer anerkannt zu werden und die politische Entwicklung wirksam beeinflussen zu können.

Der Dachverband soll auch Sprachrohr sein. Er soll die Durchsetzung der Belange der vielen örtlichen Initiativen unterstützen, gegenüber der Politik, der Verwaltung und den Fachbehörden. Er soll bei der Erschließung von Finanzierungsquellen behilflich sein. Es ist ermutigend, dass sich heute Vertreter von Landschaftspflegeverbänden aus 11 Bundesländern versammelt haben, um gemeinsam diesen Schritt nach vorn zu wagen.

Ganzheitliches Denken ist bisher zwar in vielen Sonntagsreden, aber noch nicht in der politischen Wirklichkeit verankert. Dazu soll das heutige Treffen einen Anstoß geben. Es ist Zeit zum Aufbruch!

Artikel vom: 04.06.1993 16:48