Weltklimakonferenz in Nairobi

Der Durchbruch fehlt, doch der Weg zeichnet sich ab


Es wird viel diskutiert, ob Großkonferenzen zum Klimaschutz Sinn machen. Die Teilnehmer belasten mit ihren Flügen die Luft noch zusätzlich und es kommt wenig raus dabei. Solche Kritik ist berechtigt, doch es gibt noch eine andere Seite. Die direkte Konfrontation der verantwortlichen Politiker mit geradezu flehentlichen Appellen der Länder Afrikas oder pazifischer Inselstaaten lässt auch bei hartgesottenen Politprofis ein Bewusstsein für die gemeinsamen Probleme der Erde entstehen. Dieser Bericht geht deshalb auch auf kleine Beobachtungen am Rande ein, um einen lebendigen Eindruck des Geschehens zu vermitteln. Fotos der Reise finden Sie hier.
Schon der Anflug führt allen von Norden oder Westen kommenden eindringlich vor Augen, wie notwendig der Schutz gegen Klimaveränderungen für den Menschen ist. Ich sehe am Rand der Sahara Siedlungen, die der herannahende Sand förmlich erdrückt. Gestochen scharf ist in der klaren Luft zu sehen, wie Bäume und Sträucher als Schutzwall gegen den Sand wirken, so wie bei uns gegen Schneeverwehungen. Drei Stunden fliegen wir über die gelbe Ödnis. Kein Lebenszeichen! Nur einzelne Schäfchenwolken malen schwarze Flecken auf den Sandboden. Der weiß-gelbe Horizont geht fließend in den Himmel über. Es muss viel Wind geben da unten. Die Sandfahnen sind lang und weisen von Ost nach West. Plötzlich wird es diesig: Sand fliegt am Fenster vorbei. Die Staubstürme reichen 11000 Meter hoch.
Der südliche Rand der Sahara beginnt mit kargem Grasland. Die Grenze, an der Menschen gerade noch leben können, kann hier in Trockenzeiten schnell um 200 bis 300 Kilometer zurückweichen. Man sieht einzelne Neupflanzungen im Windschatten von Hügeln. Ein zarter Beginn.
Die Konferenz
Die Umweltbehörde UNEP der Vereinten Nationen ist 1972 auf dem Gelände einer ehemaligen Kaffeefarm am nördlichen Stadtrand von Nairobi eingerichtet worden. Dort findet die Klimakonferenz statt. Jeder der 189 Staaten hat zwei Sitzplätze. Burundi und Tuvalu ebenso wie die USA und China. Das führt zu einem optischen Übergewicht der Kleinen und hat eine heilsame Wirkung auf die Atmosphäre im Saal. Neben Germany, Georgien und Ghana. Die USA sind wiederum mit einer Unterstaatssekretärin vertreten. Ihr Bann ist jedoch gebrochen. Zu viele Bundesstaaten haben draußen im Foyer Informationsstände aufgebaut und werben für aktiven Klimaschutz. Auch amerikanische Solarfirmen sind vertreten. Die Regierungsvertreter(innen) bleiben stoisch. Nur einmal zeigt ein Delegierter eine Gemütsregung, als ich ihm freundlich sage, seine Regierung werde hoffentlich noch recht lange bei ihrer Position bleiben, denn in der Zwischenzeit könnten deutsche Firmen ihre Spitzenstellung auf dem Weltmarkt ausbauen.
Als Kofi Anan den Saal betritt kommt Beifall auf. Er hat trotz seines Alters einen wachen, unverbrauchten Gesichtsausdruck. Er spricht leise und eindringlich. Vielen hier spricht er aus der Seele, doch nicht allen.
Der chinesische Delegierte sagt sinngemäß, sie wären zu Begrenzungen bereit, wenn China den Stand der Industrieländer erreicht hätte. China hat zur Zeit einen CO2 Ausstoß von drei Tonnen je Einwohner und Jahr, Deutschland 10, die USA 20. Der Weltdurchschnitt liegt bei vier. Alle spüren in diesem Moment, dass es so keine Lösung gibt. Die Lösung kann nur in einer anderen Art von Entwicklung liegen: In sparsameren Techniken und erneuerbaren Energien. Die Möglichkeiten dafür sind noch lange nicht ausgeschöpft. Ein japanischer Delegierter sagt zum Beispiel, dass eine Diskothek in Tokio mit einem Schwingboden ausgestattet wurde, mit dem die tanzenden Menschen den Energiespeicher des Hauses „aufpumpen".
Die Sechs-Minuten-Rede des deutschen Ministers Gabriel wird mit langem Beifall bedacht. Er beginnt mit der Frage seiner kleinen Tochter, warum nichts gemacht werde, wenn alle wüssten, um was es ginge und nennt dann die deutsche Verpflichtung zur Reduzierung um 40 % bis 2020, sowie die Vorgabe der Kanzlerin Merkel, die Energieproduktivität bis 2020 zu verdoppeln. Es fällt überhaupt auf, wie sehr in Afrika, Asien und Südamerika auf Deutschland geschaut wird. Viele orientieren sich an dem, was Deutschland tut. Wir haben auf diesem Gebiet einen guten Namen in der Welt.
Die Quintessenz ist für mich am Ende, auf nationaler und regionaler Ebene das Mögliche zu tun, ohne auf formelle internationale Vertragsabschlüsse zu warten. Wir müssen selbst unsere Hausaufgaben machen. Der Gutachter der britischen Regierung, Stern, belegte eindringlich, dass Nichtstun bereits in wenigen Jahren mehr kostet als aktiver Klimaschutz.
Das Leben in Kenia
Der auffälligste Unterschied zu unserem Land sind die vielen Menschen auf den Straßen. Überall Menschen. Entlang aller Überlandstraßen verlaufen Trampelpfade. In kaum unterbrochener Folge gehen darauf die Leute. Die meisten tragen etwas oder ziehen zweirädrige Karren. Autofahren können sich nur wenige leisten. Benzin kostet umgerechnet etwa einen Euro. Der durchschnittliche Monatsverdienst liegt bei 75 Euro, etwa 40 % haben zur Zeit gar keine Arbeit. Selbst die Fahrt im Matatu, einem Sammeltaxi, wird da zum Luxus. Matatus sind achtsitzige Kleinbusse, die in der Stadt und auch über Land fahren. Sie sind stets überquellend besetzt. Bei einer Fahrt zählte ich darin 17 Personen.
Für viele Menschen ist das Leben ein täglicher Kampf, um den nötigsten Bedarf zu decken. Im Mathare-Tal am Stadtrand von Nairobi leben in einem Slum 450 000 Menschen auf engstem Raum, von dem vornehmen Wohnviertel Muthaiga nur durch einen Bach getrennt. Die Reichen leben hinter Mauern und Elektrozäunen. Private Wachmänner sichern die Eingänge. In den Armenvierteln hausen die Menschen in einem unglaublichen Dreck. Sicher, wir kamen zur Regenzeit, in der das Wasser auf den Straßen stand und der Schlamm knöcheltief war. Das verschlimmerte die Lage. In den Trockenzeiten gibt es dafür andere Probleme, Gestank und Ungeziefer. Vielerorts stehen die Wellblechhütten so dicht, dass es keinen Platz gibt, um die Notdurft zu verrichten. So benutzen die Menschen dafür Plastiktüten, die anschließend auf Haufen geworfen werden. Ich habe aus solchen Unrathaufen Büsche wachsen sehen mit wundervoll leuchtenden farbigen Blüten. Welch ein Gegensatz! Ich sah Frauen barfuss im Schlamm stehen. In all dem Schmutz und Durcheinander versuchen sie einigermaßen ordentlich, ihren Haushalt zu führen. Viele strahlen dabei durch ihre aufrechte Haltung eine Anmut und Würde aus, die ans Herz rührt. In nüchternen Zahlen hört sich das so an: Das Nationaleinkommen Kenias liegt bei 490 € je Einwohner und Jahr, das der Bundesrepublik Deutschland bei 24 000 €.
Dabei wäre das Land um Nairobi fruchtbar. Der Boden ist wuchskräftig. Die Pflanzen machen einen üppigen Eindruck. Ein junger Taxifahrer sagte zu mir: „Kenia ist ein reiches Land, aber der Reichtum wird in den Händen weniger gehalten."
Wer durch die Straßen geht, sieht viele dumpf herumsitzende Männer, aber auch zahlreiche fröhliche Gesichter. Immer wieder ertönen Musik und Gesänge. Bei der Landung in Deutschland schien es mir dagegen im ersten Moment so, als ob hier ein schreckliches Unglück passiert wäre. Die meisten Menschen liefen mit ernsten und sorgenvollen Mienen umher, kaum ein freundliches Gesicht.
Die Fahrt über's Land
Das Land draußen wirkt sorgsam bestellt und sauber. Es dominiert Mischfruchtanbau unter dem Schatten von Bäumen. An den Straßenrändern fallen Ackerstreifen von sechs bis zehn Metern Breite auf. Diese öffentlichen Flächen nutzen Landlose zum Anbau von Gemüse und Viehfutter. Auf den Restflächen dazwischen weiden Kühe und Ziegen.
Wir besuchen einen Bauernhof im fruchtbaren Hügelland. Von sieben Hektar Fläche leben die Bauernfamilie und drei Knechte mit ihren Familien. Gemüsebau, Hühnerhaltung und Milchkühe bilden die Basis des Betriebs. Dieser Landwirt hat 14 Kühe und kann täglich 150 bis 200 Liter Milch abliefern. Viel ist das nicht, doch voller Stolz führt er seine Biogasanlage vor. Sie wandelt den Mist der Tiere in Methangas um. Der Gasherd in der Küche wird damit betrieben. Der Bauer hat alles mit seinen Leuten selbst gebaut. Ich glaube nicht, dass unser TÜV die Anlage abgenommen hätte, aber sie funktioniert.
Ein Hoffnungszeichen in den Dörfern ist die Mikrofinanzierung. Sie funktioniert nach dem Genossenschaftsprinzip der deutschen Raiffeisenkassen. Wer auch nur etwas Geld übrig hat, kann es in der Dorfkasse einzahlen. Andere bekommen daraus einen Kredit. Ich sprach mit einer Frau, die sich fünf Hühner angeschafft hat, um die Eier auf dem Markt zu verkaufen und so allmählich selbst etwas mehr zu verdienen.
In der Kleinstadt Nyeri, 150 Kilometer nördlich von Nairobi, wird mit deutscher Hilfe eine Trinkwasserversorgung aufgebaut. Bisher müssen Frauen und Kinder täglich kilometerweit zu den „water points" gehen, um ihre Plastikkanister aufzufüllen.
Schließlich noch eine Schnittblumenfarm am Rand von Nairobi. Auf 24 Hektar werden vor allem Rosen für den europäischen Markt erzeugt. Mit Nachtflugmaschinen kommen die nachmittags geschnittenen Rosen nach Frankfurt. Spätestens nach 48 Stunden sind sie beim Endkunden. Auf die Frage, was sie denn tun würden, wenn der Flugverkehr in den Emissionshandel einbezogen und damit teurer wird, antworteten die Besitzer mit einer kleinen Überraschung: Sie experimentierten bereits mit Schiffstransporten, die zwar länger dauern, aber die Blumen in Entgasungscontainern frischer und dauerhaft zu den Kunden bringen. Unsere kritische Einstellung gegenüber solchen Betrieben wurde zusätzlich durch die Nachricht ins Wanken gebracht, dass auf den 24 Hektar 650 Menschen Beschäftigung finden! Die Inhaberin gab uns am Schluss auch noch die Nachricht mit auf dem Weg, dass niemand den Preis so drücke wie die Deutschen, die Engländer nicht, die Franzosen nicht und die Italiener schon gleich gar nicht.
Wangari Maathai
Ihr Gesicht ist so tiefschwarz wie Ebenholz. Klare Augen blitzen daraus hervor und ihr jugendliches Lachen ließe nie vermuten, dass sie 66 Jahre alt ist. Wangari Maathai stammt aus dem Hochland Kenias. Ihre Schulausbildung bekam sie von katholischen Schwestern, die aus Eichstätt stammen. Später studierte sie in den USA, Gießen und München. Nach der Rückkehr in die Heimat entwickelte sich aus ihrem Engagement in der Frauenbewegung allmählich eine Initiative zum Schutz der Umwelt in Kenia. Auslöser waren der Raubbau an den Wäldern und die immer schwierigere Trinkwassersuche. 1977 gründete sie Green Belt Movement, eine Bewegung für grüne Schutzgürtel um die Dörfer gegen die vordringende Wüste, für sauberes Wasser und für das Leben. Jede Frau in Kenia sollte einen Baum pflanzen und ihn hegen bis er groß war. Heute ist ihre Bewegung in 15 afrikanischen Ländern aktiv. Mehr als 30 Millionen Bäume wurden inzwischen gepflanzt. 2004 erhielt Wangari Maathai den Friedensnobelpreis.
Während der Klimakonferenz lud sie ausgewählte Delegierte ein, mit ihr am Rand von Nairobi symbolisch einige weitere Bäume zu pflanzen. Hunderte von Frauen aus den umliegenden Dörfern waren dabei. Ihre Zuversicht und ihr selbstverständliches Anpacken waren für mich der Höhepunkt dieser Reise. Wangari Maathai gibt mit ihrem Werk ein Beispiel dafür, was jetzt Not tut: Alle sollen in ihrem Lebensbereich selbst etwas zur Einsparung von Energie und zur Mehrung des grünen Pflanzenkleides der Erde tun. Mit vielen Bewegungen von unten würden wir die Welt zum Guten hin verändern, sagt sie.
Josef Göppel
Fotos der Reise finden Sie hier.

Artikel vom: 22.11.2006 17:14