US-Freihandelsabkommen so nicht zustimmungsfähig

Josef Göppel im Leseraum

Josef Göppel im Leseraum

Das waren die Forderungen von Josef Göppel MdB zum Freihandelsabkommen 

Berlin, 27. Januar 2015 - Für Josef Göppel ist das Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP), ebenso wie das Abkommen mit Kanada (CETA) sowie Verträge zum Handel mit Dienstleistungen (TISA) unter den jetzt diskutierten Verhandlungsinhalten nicht zustimmungsfähig. „Ich befürchte vielmehr“, so der Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Arbeitskreises Umweltsicherung und Landesentwicklung der CSU, „eine massive Aushöhlung unserer staatlichen und kommunalen Handlungsspielräume. Gleichzeitig sehe ich in diesen Abkommen ein weiteres Vordringen reiner Marktmechanismen in gemeinwohlbezogene Lebensbereiche wie Trinkwasserversorgung, Rettungsdienste, Gesundheitsversorgung und Bildungsangebote.“ 

Dreh- und Angelpunkt der Freihandelsabkommen neuer Generation ist der Investorenschutz. Die Möglichkeit für ausländische Investoren, Staaten vor einem  Investitionsschiedsgericht zu verklagen, ist bei Vertragspartnern mit funktionierender Gerichtsbarkeit nicht angemessen. Auch die Einsetzung eines mächtigen und praktisch nicht mehr zu kontrollierenden „Regulatorischen Kooperationsrats“ ist eine Aushöhlung demokratisch gewählter Strukturen. Es geht inzwischen längst nicht mehr um Zölle und Importschranken. Seit der Vollendung des europäischen Binnenmarktes sind die Zölle gegenüber den USA um 98 % abgebaut worden.

Transatlantische Handelshemmnisse für Autos und Maschinenbau nicht bekannt

Mit einer Anfrage an den wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages hat Josef Göppel klären lassen, welche Hemmnisse für Exporte in die USA unter der jetzigen Rechtslage in den Sektoren Automobil und Maschinenbau bestehen. Die Antwort lautet: „Für die Bereiche Maschinenbau und Automobilindustrie sind uns keine Handelshemmnisse bekannt.“ Der Grund hierfür ist, dass Deutschland und die USA Mitglied der Welthandelsgemeinschaft WTO sind und zwar von Beginn an. Die WTO verhandelt auf globaler Ebene Handels- und Wirtschaftsfragen mit dem Ziel der Liberalisierung des Welthandels, also dem Abbau von Handelshemmnissen und Protektionismus. Ziel der WTO ist der internationale Freihandel. Für die WTO-Mitgliedsstaaten gelten die Prinzipien der „Meistbegünstigung“, der „Inländerbehandlung“ und der „Transparenz“. Die Staaten müssen sich demnach gegenseitig einen niedrigen Einfuhrzollsatz gewähren, dürfen ausländische Produkte und Dienstleistungen nicht schlechter behandeln als einheimische Produkte und Dienstleistungen und haben sich gegenseitig über Handelshemmnisse zu informieren. 

Auch technische Vorschriften können als Handelshemmnisse angesehen werden. Hier versucht die WTO „sicherzustellen, dass technische Vorschriften und Standards nicht in protektionistischer Absicht aufgestellt werden“. Selbst bei Beschränkungen, die ein Land zum Schutz von Leben und Gesundheit oder aus Verbraucherschutzinteresse aufstellt, prüft die WTO, ob unnötige Handelshemmnisse entstehen und verhandelt über deren Abbau, z.B. im Abkommen über sanitäre und phytosanitäre Maßnahmen (SPS).

Von den Beschränkungen des Exports, die Deutschland für Rüstungsgüter und militärisch einsetzbarer Hochtechnologie beschlossen hat, sind die USA als NATO-Mitgliedsland ebenfalls nicht betroffen. Warum also wird eine weitere Marktöffnung mit solcher Hartnäckigkeit vorangetrieben?

Neuer Welthandelsvertrag kommt voran - brauchen wir noch bilaterale Abkommen?

Auch in der Welthandelsorganisation WTO kommt wieder Bewegung in die Verhandlungen um einen neuen Welthandelsvertrag. Er sieht weltweit einen umfangreichen Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen vor. Im August hatte Indien das Paket noch blockiert, weil es seine Agrarsubventionen schützen wollte. Indien kauft in großem Stil im Inland produzierte Lebensmittel für Hilfsprogramme im eigenen Land. So erhalten zum Beispiel bedürftige Schulkinder ein kostenloses Mittagessen. Nachbarstaaten kritisierten, dass ihre Exportchancen dadurch begrenzt würden. Am 13. November haben die USA und Indien einen Kompromissvorschlag vorgelegt, der nun die weitere Beratung des Welthandelsabkommens ermöglicht. 

Auf der WTO-Ebene findet die Streitschlichtung zwischen Staaten statt. Einzelne Unternehmen können dort einen Staat nicht verklagen.

In der EU bestehen inzwischen 1400 bilaterale Freihandelsabkommen, allein Deutschland hat 131. In einer Sitzung der CDU/CSU- Bundestagsfraktion am 27. Januar 2015 kritisierte MdB Josef Göppel diesen Wust an Einzelregelungen. Er verlangte, die Konzentration auf die transparenten öffentlich-rechtlichen Regeln der WTO. Das sichere am ehesten einen gerechten Welthandel.

 

Sind unsere Umwelt-, Sozial- und Sicherheitsstandards „regulatorischen Hemmnisse“?

Der Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz behauptet: „Konzerne versuchen durch geheim verhandelte Handelsabkommen zu bekommen, was sie im offenen politischen Prozess nicht erreichen“. Die wirkliche Motivation mancher Kräfte beiderseits des Atlantiks zur endgültigen Übernahme aller Lebensbereiche durch Marktmechanismen zeigen Beispiele aus den Verhandlungstexten:

  • Die Regelung, einmal vorgenommene Privatisierungen nie wieder zurück zu nehmen (Stillstandsklausel),
  • der Ausschluss einer Rückübernahme von Dienstleistungen in die kommunale Hoheit (Ratchetklausel),
  • Einstufung als „lebendes Abkommen“ mit einer Ermächtigung zur späteren Änderung von Details ohne erneute Zustimmung der Parlamente,
  • das „Negativlistenverfahren“, bei dem alle Bereiche von den Privatisierungsverpflichtungen erfasst werden, die nicht ausdrücklich ausgenommen sind,
  • die völkerrechtlich verbindliche „vorläufige Anwendung“ der Abkommen, ohne Rücksicht auf Beschlüsse des europäischen Parlaments und der mitgliedstaatlichen Parlamente.

Geheimabkommen oder demokratisch legitimierte Handelserleichterung? 

Nach wie vor ist nicht geklärt, ob die nationalen Parlamente der EU-Mitgliedstaaten ebenfalls über die ausgehandelten Verträge abstimmen müssen (Ratifizierung). Das Europäische Parlament muss über TTIP ebenso wie über das endverhandelte Abkommen mit Kanada abstimmen, allerdings nur mit Nein oder Ja. Es kann den ausgehandelten Vertrag also billigen oder verwerfen. Die Billigung durch den Rat, also durch die Regierungen der Mitgliedsstaaten, muss vorher erfolgen. 

Nachdem die ersten Inhalte über den Verhandlungsrahmen von TTIP nur durch der Öffentlichkeit zugespielte vertrauliche Papiere in der Presse landeten, gibt es immer wieder Uneinigkeit bei den Verhandlungen, was den Datenschutz anbelangt. 

Wer hat das Sagen in der Gemeinde, wenn der Freihandel gilt?

Die Befürchtung vieler Gemeinden und Landkreise, über die „Marktzugangsverpflichtung“ praktisch alle Waren und Dienstleistungen auch in den Vertragsländern ausschreiben zu müssen, ist nicht aus der Luft gegriffen. Bereits das Mittel der beschränkten Ausschreibung kann als Handelshemmnis betrachtet werden. Viele Mittelständler, die jetzt in den Zustimmungschor einstimmen, würden dann ein böses Erwachen erleben. Hier geht es nicht nur um Hygienestandards, Gentechnik und Chlorhühnchen. Es gibt zahlreiche Äußerungen von US-Handelsvertretern und US-Konzernen, die entsprechende Angleichungen von Standards an US-Level fordern. Dazu hier Informationen von Greenpeace sowie hier ein Artikel aus der Wiener Zeitung. Die Umweltorganisation BUND und die Europäische Initiative „Stop TTIP“ haben wegen der „Entmachtung der Kommunen durch die Hintertür“ Klage beim Europäischen Gerichtshof eingereicht.

Warum bestehen Wirtschaftsverbände auf Investor-Staats-Schiedsverfahren  (ISDS)?

Der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat, ebenso wie die neue EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, den Verzicht auf eine eigene Gerichtsbarkeit zum Investorenschutz unter TTIP in Aussicht gestellt. Sowohl die USA als auch die Europäische Union haben klare Rechtsnormen und garantieren einen sicheren Zugang zu einem transparenten Gerichtswesen, auch ohne neue Investor-Staats-Schiedsverfahren. Handelshemmnisse können auch heute schon vor der WTO beklagt werden. Allerdings werden bei der Schiedsgerichtsbarkeit der WTO die zwischenstaatlichen Vertragsinhalte auf Handelshemmnisse überprüft. Im Gegensatz zum geplanten TTIP werden die Richter der WTO nicht durch die Investoren bestimmt. Sollte es wirklich um Absicherung von Investitionen im Ausland gehen, gibt es dafür „Enteignungsversicherungen“. Diese werden z.B. von der Weltbank aber auch von privaten Versicherungsunternehmen angeboten. 

Konzernklage-Klauseln in Investoren-Schiedsgerichtsverfahren dienen dazu, die Möglichkeiten zur Regulierung und Besteuerung von Unternehmen einzuschränken. Lenkungssteuern oder die Beteiligung von Unternehmen an entstehenden Umwelt- und Entsorgungskosten könnten dann nicht mehr verfügt werden. Es geht also darum, ausländischen Investoren zuzugestehen, was sie durch politische Prozesse mit demokratisch legitimierten Regierungen nicht bekommen

Errungene europäische Standards – wie zum Beispiel das Vorsorgeprinzip – gilt es zu verteidigen. Zu den guten europäischen Standards gehört auch, dass Städte und Gemeinden für kommunale Aufgaben der Daseinsvorsorge selbst Sorge tragen. Wie der Deutsche Städtetag betonte, wurden Bereiche der Daseinsvorsorge bisher politisch bewusst nicht privatisiert. Viele Kommunen stehen TTIP kritisch bis ablehnend gegenüber. Die Kommunalen Spitzenverbände sehen die Daseinsvorsorge beeinträchtigt.

545 Euro mehr für jeden deutschen Haushalt?

Die EU-Kommission veröffentlichte 2013 eine Studie, nach der die Wirtschaft durch das Freihandelsabkommen mit den USA zusätzlich um 0,5 % wachsen würde. Das brächte jedem Haushalt ein Zusatzeinkommen von 545 Euro pro Jahr.

Abgesehen davon, dass 0,5 % Wachstum innerhalb der normalen konjunkturellen Schwankungsbreite läge, wird diese Behauptung nun ausgerechnet in den USA in Zweifel gezogen. Wirtschaftsprofessoren der Tufts-University in Boston kamen sogar auf Verluste durch unberücksichtigte Wechselwirkungen. Sie verwendeten für ihre Berechnungen das „Global Policy Model“ der Vereinten Nationen, das „Spill over Effekte“ berücksichtigt. Die Gutachter der EU-Kommission benutzen dagegen ein Rechenmodell ohne Wechselwirkungen.

Für Josef Göppel ist kein Zusatznutzen belegt. Er kritisiert, dass auch in den Unionsparteien ständig vage Versprechungen wiederholt würden. Viel zu wenige Politiker machten sich die Mühe, ins Detail zu gehen.

Artikel vom: 27.01.2015 15:22