Soziale Marktwirtschaft gegen schrankenlosen Kapitalismus

Grundsatzartikel zu unserer Wirtschaftsordnung

Vorwort zu Arno Gahrmann "Wir arbeiten und nicht das Geld" Westend Verlag Frankfurt a.M.  ISBN 978-3-86489-038-3

Alle spüren es – seitdem sich der Markt über die nationalen Grenzen erhob und global agiert, gelten nur noch seine Regeln. Die der reinen Marktwirtschaft innewohnende Logik ist einfach und unerbittlich: Möglichst billig produzieren und möglichst alles wegschieben, was diesem Ziel im Weg steht. Das gilt für die Höhe der Löhne, den sozialen Schutz, Festanstellungen und Umweltauflagen aller Art.

Der Frühkapitalismus des 19. Jahrhunderts endete deshalb nicht in einer Revolution, weil eben diese Schutzvorschriften von den Nationalstaaten eingeführt wurden. Mit der sozialen Marktwirtschaft eines Ludwig Erhard übernahm das aus Ruinen erstandene Westdeutschland die Idee des sozial gebändigten Marktes quasi als Staatsdoktrin. Der Erfolg war durchschlagend; damit gelang ein deutsches Wirtschaftswunder.

Die soziale Marktwirtschaft funktionierte, so lange sich die Unternehmen im national gesetzten Rechtsrahmen bewegten. Mit dem Ende des Ost-West-Gegensatzes 1990 schwoll die Verlagerung von Betriebsstätten in Billiglohnländer zu einem mächtigen Strom an, der sich über die ganze Erde ergoss. Der globalisierte Kapitalismus strebt seither mit vielen Unternehmens-zusammenschlüssen der Oligopolbildung zu und engt so den Wettbewerb als zentrale Voraussetzung einer funktionierenden Marktwirtschaft immer mehr ein. Gleichzeitig unterwarf das ökonomische Denken alle Lebensbereiche. Zinsgetriebenes Wachstum wurde zum dominanten Gesellschaftsmodell. Kapitalerträge rangierten vor dem Erhalt der Arbeitsplätze. Man hatte ja auch den Kommunismus als konkurrierendes System offenkundig besiegt. Wer wagte da noch, von einem anderen Weg zu reden? Arno Gahrmann und Henning Osmers taten es 2004 mit dem Buch „Zukunft kann man nicht kaufen“. Damit legten sie die Systemwidersprüche eines Marktes ohne Regeln offen. Doch wie dem begegnen? Auf weltweit geltende Regeln einer globalen Regierung warten?

Gahrmann setzt auf einen anderen Weg. Kritische Kunden sollten Materialeinsatz und Arbeitsbedingungen überall hinterfragen und so die globalisierten Konzerne an ihrer verwundbarsten Stelle treffen, nämlich dem Verkauf ihrer Produkte. Tatsächlich öffnete jedoch erst die spekulative Bankenkrise 2008 ausreichend vielen Menschen die Augen. Wer hätte gedacht, dass der Druck engagierter Bürger binnen fünf Jahren zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer führen würde? Ein solcher Erfolg ist auch bei der Regulierung der Realwirtschaft denkbar. Viele Menschen wollen heute wissen, ob ein Produkt unter fairen Arbeitsbedingungen und umweltverträglich hergestellt wurde. Die Graswurzelbewegungen können dank Internet Wirtschaftsgiganten zum Umdenken zwingen. Das Rüstzeug dafür liefert Arno Gahrmann mit diesem Buch. Es wird helfen, dem Menschlichen in der Ökonomie wieder Raum zu geben.

Josef Göppel

Bundestagsabgeordneter

Artikel vom: 25.08.2014 10:36