Nach zähem Ringen Bürgerenergie gesichert

Großdemonstration für die Energiewende vor dem Brandenburger Tor im Juni 2016. Mit den Detailergebnissen der Beratung konnte die Bürgerenergie gesichert werden.

Großdemonstration für die Energiewende vor dem Brandenburger Tor im Juni 2016. Mit den Detailergebnissen der Beratung konnte die Bürgerenergie gesichert werden.

Garantierter Zuschlag für Bürgerwindprojekte und kleine Biogasanlagen durchgesetzt

Hier finden Sie eine Präsentation zum EEG 2017.

Berlin, 6. Juli 2016 -  Der Ausbau erneuerbarer Energien wird in Deutschland ab 2017 über Ausschreibungen gesteuert. Ausnahmen gibt es für Bürgerwindprojekte und Kleinbiogasanlagen. Sie müssen zwar bei den Ausschreibungen mitbieten, bekommen aber den jeweils höchsten Gebotspreis als Zuschlag. Das ist der Kern des Antrags, den eine Gruppe von Koalitionsabgeordneten um Josef Göppel zum neuen EEG eingereicht hatte.

Mieter werden im neuen EEG ähnlich wie Eigenerzeuger von Strom behandelt. Sie müssen nur eine ermäßigte EEG-Umlage zahlen, wenn sie ihren Strom direkt von einer PV-Anlage auf dem Dach beziehen. 

Darüber hinaus wird es künftig Herkunftsnachweise für Strom geben, die jede Erzeugungsanlage einzeln ausweisen. Kunden können damit gezielt Strom aus ihrer Region einkaufen. 

Eine weitreichende Neuerung steckt in einer unscheinbaren Formulierung des Gesetzes. Stromüberschüsse aus Windrädern und Solaranlagen können die Erzeuger außerhalb des EEG frei verkaufen. Damit wird der Weg in die Sektorenkopplung von Wärmeversorgung und Elektromobilität geöffnet.

Die Grundlage für die letztlich erfolgreichen EEG-Verhandlungen legte Göppel mit einer Gruppe von rund 20 Koalitionsabgeordneten 2015 mit Briefen an die EU-Kommission. Die Parlamentarier wiesen darin auf die Gefahren von Ausschreibungen für die breite Bürgerbeteiligung hin. EU-Wettbewerbskommissarin Vestager antwortete daraufhin, dass „Ausschreibungen möglicherweise nicht das richtige Instrument für kleine Projektträger“ seien. Dieses klare Votum war das entscheidende Argument in den zähen Verhandlungen mit dem Bundeswirtschaftsministerium und Teilen der Regierungsfraktionen. Niemand konnte sich mehr auf Brüssel als angebliche Verhinderer der Sonderlösungen für Bürgerenergie berufen.

Die wichtigsten Neuerungen im EEG 2017:

1. Keine Ausschreibungen für Anlagen unter 750 kW

Davon profitieren vor allem Photovoltaikdachanlagen und Freiflächenanlagen zur Eigenversorgung. Hier bleibt es bei den bisherigen Vergütungssätzen und den Regeln der Eigenversorgung. Werden die Ausbauziele nicht erreicht, steigen die Vergütungssätze künftig wieder rascher an („atmender Deckel“)

2. Sonderregelung für Bürgerwindprojekte

Wenn mindestens 10 Bürger eines Landkreises gemeinsam mit der Gemeinde oder dem örtlichen Stadtwerk einen Windpark von bis zu sechs Windkraftanlagen errichten wollen, können sie sich durch ein niedriges Gebot in den Ausschreibungen den Zuschlag sichern. Anders als Großinvestoren erhalten sie nämlich immer den höchsten Vergütungssatz, der in der Ausschreibungsrunde noch zum Zug kam. 

Außerdem können die Bundesländer Bürgerwindprojekte durch weitere Maßnahmen gezielt fördern.

Windprojekte im Binnenland, die nur 70% des deutschen Durchschnittsstandortes erreichen, erhalten durch einen Korrekturfaktor gleiche Chancen bei der Ausschreibung. 

3. Lokaler Direktverbrauch

Die Studie „Der zellulare Ansatz“ des Deutschen Verbandes der Elektroingenieure kam im vergangenen Jahr zum Ergebnis, dass der Abgleich von Stromerzeugung und –verbrauch auf der niedrigstmöglichen Ebene volkswirtschaftlich am günstigsten ist. Dem trägt das EEG 2017 nun Rechnung: Die EEG-Umlage auf die Lieferung von Sonnenstrom an Nachbarn wird verringert. Die Versorgung von Mietern aus Solardachanlagen wird einen Aufschwung erleben. Eine Verordnung wird regeln, dass die Vorteile tatsächlich bei den Mietern und nicht nur bei den Hauseigentümern ankommen.

4. Anschlussregelung für Bestandsbiogasanlagen

Viele Biogasanlagenbetreiber wollen gezielt in ihre Anlagen investieren um künftig Strom dann zu produzieren, wenn Sonne und Wind keine Erzeugung liefern. Die Unsicherheit über künftige Strompreise erweist sich dabei aber als großes Hindernis. Das EEG 2017 bietet nun Investitionssicherheit. Bestandsbiogasanlagen können in Ausschreibungen für eine Anschlussförderung mit einer festen Prämie für weitere 10 Jahre mitbieten. Das Höchstgebot liegt bei 16,9 ct/kWh. Zusammen mit den Erlösen aus dem Strom- und Wärmeverkauf bietet sich für viele Anlagen nun eine Perspektive. Anlagen unter 150 kW erhalten ähnlich wie bei Bürgerwindprojekten nicht den gebotenen Preis, sondern das höchste bezuschlagte Gebot dieser Runde.

5. Regionalnachweise

Viele Menschen wollen die Energiewende in ihrer Region unterstützen und „Strom mit Gesicht“ kaufen. Künftig können Stadt- und Gemeindewerke oder Energiegenossenschaften ihre Bezugsquellen offenlegen und anlagenscharf in der Rechnung die regionalen Wind-, Sonnen-, oder Biomassekraftwerke benennen. Dies war bisher gesetzlich nicht möglich.

6. Regionale Kombikraftwerke/ Innovationsausschreibungen

Das EEG 2017 öffnet noch eine weitere Möglichkeit, den regionalen Abgleich von Stromerzeugung und Verbrauch zu stärken. Das Bundeswirtschaftsministerium soll Anfang 2017 in einer Verordnung die Grundlage für Innovationsausschreibungen schaffen. Bei diesen Ausschreibungen sollen verschiedene Erzeugungstechnologien kombiniert und viertelstündlich auf den regionalen Verbrauch abgestimmt werden können. So entstehen regionale Kombikraftwerke.

7. PV-Freiflächenanlagen

Die Bundesländer können künftig in „benachteiligten Gebieten“ (die Landkreise Ansbach und Weißenburg-Gunzenhausen gehören vollständig dazu) den Bau von PV-Freiflächenanlagen auf Grünland und Äckern nach selbst festgelegten Kriterien erlauben. Das bayerische Wirtschaftsministerium hat bereits signalisiert, diese Möglichkeit nutzen zu wollen.

8. Klarstellung bei Energiespeichern

Die Batteriespeichertechnologie entwickelt sich rasant. Bei Lithiumakkus sinken die Preise jedes Jahr um rund ein Viertel und finden immer häufiger ihren Weg in die Keller von Einfamilienhäusern. Besonders die Mehrfachnutzung von Speichern zur Eigenverbrauchsoptimierung und zur Stabilisierung des Stromnetzes verspricht ein erfolgreiches Geschäftsmodell zu werden. Bisher erwies sich aber der gesetzliche Rahmen als Hemmschuh. So war zum Beispiel unklar, ob die EEG-Umlage sowohl bei der Einspeicherung als auch bei der Ausspeicherung fällig wird. Diese Doppelbelastung schließt das EEG 2017 nun aus.

9. Sektorenkopplung/ Nutzung von abgeregeltem Strom

Für Bürgerwindprojekte war die bisherige Situation unbefriedigend. Wenn das Netz überlastet war, wurden die Anlagen gegen Entschädigung abgeregelt. Künftig soll dieser Strom vor Ort in Wärme oder Methan als Speichermedium umgewandelt werden können. Außerdem können die Netzbetreiber in Norddeutschland künftig zusätzliche Stromverbraucher gezielt aufschalten. Das kann auch für die Elektromobilität geschehen. Beide Regelungen sollen einen vielversprechenden Ansatz voranbringen: Erzeugungsspitzen im Wärme- und Mobilitätssektor zu verwenden und so Öl und Gas zu ersetzen.

Grundsatzkritik an gebremster Energiewende

Trotz mancher Erfolge im Detail sieht Josef Göppel Anlass zu grundsätzlicher Kritik am gebremsten Verlauf der Energiewende: 

1. Die Mengenziele des EEG 2017 liegen unter dem eigentlich notwendigen Ausbaupfad, um im Jahr 2050 95% des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien zu decken. Dafür wäre ein jährlicher Zubau von 1,8% der installierten Leistung erforderlich. Das neue EEG liegt mit jährlich 1,2% um ein Drittel darunter!

2. Das Argument der verstopften Netze hält Göppel für vorgeschoben: 2015 hätten nur 1,1% der transportierten Menge nicht durchgeleitet werden können. Dies sei auch nur deshalb der Fall, weil Lieferverträge für deutschen Kohlestrom ins Ausland erfüllt werden mussten. Die jetzige Situation sei für die konventionellen Kraftwerksbetreiber besonders lukrativ: Die Ersatzerzeugung aufgrund von Netzengpässen sei im Juni 2016 zu 87% aus Kohlekraftwerken gekommen. Sie verstopfen die Netze!

3. In den letzten drei Jahren ging der Anteil von Bürgerprojekten an der installierten Strommenge in Deutschland von 47% auf 25% zurück! Energiekonzerne belegen jetzt 40% des Marktes; strategische Investoren 35%.

Josef Göppel freut sich, dass die alten Energiekonzerne nun auf erneuerbare Energien einschwenken. Sie dürfen aber „die Bürgerprojekte nicht aus dem Markt drücken.“

Artikel vom: 06.07.2016 16:01