Klimagerechte Landnutzung wird zum Thema

Böden als Kohlenstoffspeicher

Berlin, 06. September 2007 - Die Diskussion um Biogasanlagen und Treibstoff vom Acker richtet den Blick der Politik zunehmend auf ein Thema, das bisher nur Experten interessierte: Welchen Einfluss hat die Art der Landnutzung auf den Klimawandel? Welche Nutzungen beschleunigen ihn, welche bremsen ihn?

Wälder binden deutlich mehr Kohlenstoff als andere Landnutzungsformen. Eine Wiese bindet im Vergleich mit Ackerland doppelt so viel Kohlenstoff. Die geringsten Kohlenstoffvorräte finden sich unter Siedlungs- und Verkehrsflächen. 70 Prozent der terrestrischen Kohlenstoffvorräte sind in der Humusschicht des Bodens und nur 30 Prozent in der oberirdischen Pflanzenmasse gebunden. Unter Klimagesichtspunkten wird eine Landnutzung, die auf die Kohlenstoffspeicherung in der Humusschicht Rücksicht nimmt, immer wichtiger. Dabei geht es keineswegs nur um die Land- und Forstwirtschaft.

Bodenversiegelung stoppen

Bei der Überbauung von Land mit Gebäuden aller Art, Verkehrsflächen oder Sportplätzen wird die Humusschicht abgetragen. Damit enthält der Boden kaum mehr Kohlenstoff. Versiegelte Flächenkönnen auch keinen neuen Kohlenstoff einspeichern. Aus der Sicht des Klimaschutzes muss die Bodenversiegelung deshalb gestoppt oder zumindest durch die Entsiegelung anderer Flächen ausgeglichen werden.

Humus mehren

Die größten Kohlenstoffspeicher unserer Erde, die am aktiven Kohlenstoffkreislauf teilnehmen und daher auch von uns beeinflussbar sind, stellen die Ozeane dar. Danach folgt schon die organische Bodensubstanz. Durch humuszehrende Landwirtschaft entweichen global 1 Mrd. Tonnen Kohlenstoff pro Jahr in die Atmosphäre. Diese Menge entspricht 3,6 Mrd. Tonnen C02 und damit 13% der weltweiten energiebedingten Klimaemissionen von 28 Mrd. Tonnen.

Ein Hektar Wald bindet durchschnittlich 1000 Kilogramm Kohlenstoff im Jahr und eine Wiese immerhin noch rund 700 Kilogramm. Mais und Hackfrüchte setzen hingegen sogar bis zu 900 kg Kohlenstoff im Jahr frei, wenn organische Masse im Boden abgebaut wird. Das hängt entscheidend von Anbaumethoden und Fruchtfolgen ab.

Ganzjährige Pflanzendecke

Die alten Regeln, den Humusaufbau zu fördern, auf möglichst ganzjährige Bodenbedeckung zu achten und humuszehrende Bewirtschaftungsformen zu meiden, bekommen eine ganz neue klimapolitische Bedeutung. Klimagerechte Landnutzung wird eine neue Herausforderung.

Zwischenfrüchte, die möglichst die ganze Periode bis zur nächsten Hauptfrucht abdecken, sind daher in mehrfacher Hinsicht wichtig. Sie decken den Boden, liefern wertvolles Futter und reichern als Gründüngung den Humusgehalt an. Damit binden sie zusätzlichen Kohlenstoff. Ebenso wirken eine reduzierte Bodenbearbeitung und Fruchtfolgen mit mehrjährigem Feldfutter kohlenstoffbindend. Die Natur kennt keinen nackten Boden!

Ausgleich für Grünlandverluste

Die Kohlenstoffmengen im Dauergrünland sind durchschnittlich doppelt so hoch wie in benachbarten Ackerböden. Nach dem Umbruch von Grünland in Ackerland wird dieser Puffer rasch abgebaut. Ackernutzung mit viel Zwischenfruchtanbau kann zwar einen neuen Kohlenstoffspeicher ausbilden, er bleibt aber unter dem vorherigen Niveau. Deshalb ist ein Flächenausgleich für verlorenes Grünland wichtig. Allein von 2005 auf 2006 gingen bundesweit 47.000 ha Grünland verloren. In einigen Bundesländern sank der Grünlandanteil um 2,5 bis 4% gegenüber dem Referenzjahr 2003. Erst bei einer Minderung von über 10% muss nach den Cross Compliance Regeln der EU an anderer Stelle neues Grünland als Ausgleich angesät werden. Das können wir uns klimapolitisch eigentlich nicht mehr leisten.

Moorentwässerung beenden

Wachsende Moore legen große Mengen Torf fest, weil bei ganzjährighohen Wasserständen mehr organische Substanz zuwächst, als beim Abbauder Pflanzenreste freigesetzt wird.

Die Entwässerung von Mooren und die anschließende ackerbauliche Nutzung führte im 18. Jahrhundert zum ersten großen Abbau der gespeicherten Kohlenstoffvorräte im Boden und einer hohen Freisetzungvon CO2 in die Atmosphäre. Bis heute setzen die entwässerten Moore CO2 frei.

Die Art der Landnutzung bestimmt wesentlich den Gehalt anorganischer Substanz im Boden. Noch bestehende Moore sollten daher auch aus Klimaschutzgründen erhalten bleiben, weil sie eine Kohlenstoffsenke bilden. Durch die zusätzliche Renaturierung von Feuchtgebieten kann weiterer Kohlenstoff im stabilen Speicher des Humuskörpers gebunden werden.

Wald ist nicht gleich Wald

Der Wald ist in Deutschland bisher eine Kohlenstoffsenke, weil mehr Holz nachwächst als eingeschlagen wird. Mit stärkerer Nutzung kann sich das ändern. Darüber hinaus ist Wald nicht gleich Wald. Plantagen im Kurzumtrieb entnehmen dem Boden mehr Kohlenstoff als sie CO2 aus der Luft binden. Erst ältere Bäume erbringen einen Bindungsüberschuss.

Das hat vor allem für tropische Wälder elementare Bedeutung. Selbst wenn auf einer Brandrodung wieder Bäume angepflanzt werden, so setzt diese Fläche über Jahre mehr Kohlenstoff frei, als sie binden kann. Die für die Atmosphäre so wichtige Humusbildung bleibt aber dauerhaft unter dem Niveau eines naturbelassenen Waldes. Durch die Brandrodung von Naturwaldflächen entstehen weltweit 20 % der Kohlendioxidemissionen. Dabei ist vor allem der Nutzungswechsel das Problem. Eine dauerhafte Bindung von Kohlenstoff findet nämlich nicht in den Pflanzen statt. Es kommt vielmehr darauf an, wie viel Kohlenstoff bei der natürlichen Zersetzung von Pflanzen im Boden verbleibt.

Neue Maßstäbe

Bei allen nachwachsenden Rohstoffen, ob aus dem Wald oder vom Feld, muss künftig dem Energiewert der entwichene Bodenkohlenstoff gegengerechnet werden. Nur mit umfassenden Bilanzen kommen wir zu einer nachhaltigen Nutzung.

Die Richtschnur für politische Förderkonzepte muss sein: Welche Pflanze bringt für welchen Verwendungszweck den höchsten Gesamtertrag? Welche Landnutzung ist unter Einbeziehung der Kohlenstoffspeicherung im Boden am klimaschonendsten? Die alten Regeln der Natur weisen auch für unsere neuen Probleme den Weg.

Die verstärkte Nutzung von Pflanzen zur Energiegewinnung ist richtig. Zahlreiche Argumente, die jetzt dagegen vorgebracht werden, geben keine Antwort darauf, welche Alternativen wir denn sonst hätten. Wir müssen die politischen Rahmenbedingungen aber so setzen, dass Fehlsteuerungen vermieden werden. Ein nachhaltiger, ökologisch verträglicher Anbau von Energiepflanzen ist dann möglich.

Josef Göppel

Artikel vom: 06.09.2007 11:41