Brückenbauer zwischen Mensch und Natur

Die deutschen Landschaftspflegeverbände

Beitrag zu dem Buch Natur konservativ heute, Januar 2004, von Josef Göppel

Landschaft gehört niemandem allein. Viele nutzen sie, jeder hat seine eigene Vorstellung davon wie sie aussehen soll, was man machen darf und was nicht. Da scheint Streit vorprogrammiert. Wie lässt sich dieser Konflikt lösen?

Man bringe Landnutzer, Naturschützer und Kommunalpolitiker an einen Tisch und lasse sie Aug in Aug zusammenarbeiten. Die Idee ist simpel. Landwirte wollen anerkannt sein mit ihrer Arbeit und dafür ordentlich entlohnt werden, Tourismusmanager möchten eine schöne Landschaft verkaufen, Naturschützer wollen Tier- und Pflanzenarten erhalten, Kommunalpolitiker wollen einen attraktiven Investitionsstandort haben.

Gut zuhören, Vertrauen bilden, den Partner ernst nehmen, das sind die Grundlagen dieser Zusammenarbeit. Landschaftspflegeverbände bringen alle an einen Tisch und versuchen, tragfähige Kompromisse zu finden. Natürlich kann nicht jeder für sich das Maximale erreichen, aber die Praxis zeigt: wenn sich jeder ein bisschen auf den anderen zu bewegt, findet man oft erstaunlich gute Lösungen.

Landschaftspflegeverbände haben keine behördlichen Befugnisse. Ihre Stärken liegen dort, wo amtliche Kompetenz und Regelung an Grenzen stoßen. Das macht Landschaftspflegeverbände zu gern gesehenen Partnern.

Die Idee der Landschaftspflegeverbände entstand 1986 gleichzeitig in Mittelfranken und im niederbayrischen Kelheim. Von dort breitete sie sich in die anderen Bundesländer aus. Der Deutsche Verband für Landschaftspflege (DVL), 1993 gegründet, ist der Dachverband der Landschaftspflegeverbände, Biologischen Stationen und vergleichbarer Vereinigungen. 2003 gab es bereits 140 derartige Organisationen in Deutschland, Tendenz steigend. Sie sind in allen Flächenländern der Bundesrepublik vertreten.

Intakte Landschaften sind im Wettbewerb der Regionen ein wichtiger Standortfaktor. Je attraktiver die Landschaft, desto mehr Investitionen – das ist inzwischen ein klar ablesbarer Zusammenhang. Die Leute spüren das. Die bayerische Regierung gab zum Beispiel im Jahr 2002 eine Untersuchung in Auftrag, bei der gefragt wurde „Was gefällt Ihnen an Ihrem eigenen Land am besten?“. Das Ergebnis war für manche überraschend. Mit großem Abstand wurde „Die Schönheit der Landschaft“ als erstes genannt.

Die Arbeit der Landschaftspflegeverbände geht deshalb weit über den bloßen Erhalt schützenswerter Flächen hinaus. Durch die Belebung regionaler Strukturen und die verstärkte Identifikation der Menschen mit ihrer Region wird die Grundlage für eine positive wirtschaftliche Entwicklung gerade in ländlichen Gebieten geschaffen. Die Steuergelder für Landschaftspflege sind somit Investitionen in die Zukunftsfähigkeit von Regionen.

Je mehr Lebensbereiche von der Globalisierung erfasst werden, desto stärker wird weltweit das Streben nach regionaler Selbsthilfe. In allen Erdteilen bilden sich derzeit Regionalinitiativen. Es ist ein kulturelles Aufbegehren gegen den Verlust eigener Traditionen zugunsten der Einheitszivilisation westlicher Prägung. Allein in Deutschland umfasst das Netzwerk der Regionalinitiativen inzwischen über 300 Adressen. Die Leute wollen an den Möglichkeiten der weltumspannenden Zivilisation teilhaben, aber gleichzeitig in einem überschaubaren Raum verwurzelt bleiben. Gerade in der sich immer schneller drehenden Zivilisationswelt brauchen die Menschen Haltepunkte für das Gemüt.

Hier sieht der DVL einen wichtigen Ansatzpunkt. Durch die innere Struktur der Drittelparität sind die Landschaftspflegeverbände geeignete Plattformen für regionale Initiativen. Die Internet-Datenbank www.reginet.de verknüpft Regionalinitiativen in ganz Deutschland.

Die klassische Landschaftspflege wird auch in Zukunft der Kernbereich der Landschaftspflegeverbände bleiben. Hier geht es um die fachlich einwandfreie, aber auch kostenbewusste Umsetzung der Naturschutzziele des Bundes und der Länder.

Immer mehr treten daneben Projekte der Europäischen Union wie die Wasserrahmenrichtlinie und Natura 2000 in den Vordergrund. Das greift der DVL mit verstärkten internationalen Kooperationen auf.

Der Ausbau von Agrarumweltmaßnahmen im Zug der Agrarreform 2003 wird ein gewaltiges neues Aufgabenfeld eröffnen. Einerseits geht es darum, die der Landwirtschaft über die Modulation abgezogenen Mittel möglichst vollständig wieder zukommen zu lassen. Dazu sind Landschaftspflegeverbände durch die Konstruktion der Drittelparität besonders gut geeignet. Die Zuarbeit für staatliche Behörden in lokalen Partnerschaften entspricht andererseits dem gesellschaftlichen Ziel nach mehr bürgerschaftlichem Engagement.

Aus dem Strom der Zeit das Richtige zu erkennen und aufzugreifen lohnt viele Mühen im Kleinen. So wollen die Landschaftspflegeverbände „gemeinsam Lebens(t)räume schaffen“.

Artikel vom: 04.01.2004 15:12