Baugebiete im Schnellverfahren an jedem deutschen Ortsrand?

Bayern ist Spitzenreiter beim Flächenverbrauch. Die überbaute Fläche nahm seit 1980 um 49 % zu!

Bayern ist Spitzenreiter beim Flächenverbrauch. Die überbaute Fläche nahm seit 1980 um 49 % zu!

Wohnungsnot als Begründung – Orgie beim Flächenverbrauch

Berlin, 17.01.2017 – In den nächsten Monaten soll der Bundestag noch eine Änderung des Baugesetzbuches beschließen. Auf Antrag der Regierung Bayerns wurde in den Entwurf der neue § 13 b eingefügt, nach dem alle Gemeinden in Deutschland am Außenrand eines jeden Ortsteiles ein Hektar Bauland im Schnellverfahren ausweisen können. Begründet wird der Vorstoß mit der Notwendigkeit, 400.000 zusätzliche Wohnungen in Deutschland zu bauen.

Das sogenannte beschleunigte Verfahren bedeutet, dass es keine Umweltprüfung, keine Überwachung der Umweltauswirkungen und keinen Naturschutzausgleich für die überbauten Flächen gibt. MdB Josef Göppel wird im Ausschuss für Umwelt und Bau des Deutschen Bundestages dagegen vorgehen. Er hält den Vorschlag für eine maßlose Übersteigerung des Flächenverbrauchs, dem auch jede Zielgenauigkeit fehlt. Die Befürworter verweisen dagegen auf den zunächst zum Zuge kommenden gesetzlich verankerten Vorrang der Innenentwicklung. Dieser findet sich jedoch nur als allgemeine Vorschrift im § 1 des Baugesetzbuches. Danach soll mit Grund und Boden sparsam und schonend umgegangen werden. Maßnahmen der Innenentwicklung sind zu nutzen. Dafür „sollen Ermittlungen zu den Möglichkeiten der Innenentwicklung zugrunde gelegt werden“. Konkrete Bemühungen um innerörtliche Bauprojekte muss keine Gemeinde nachweisen.

Nach Ansicht von Josef Göppel wird bei dieser Rechtslage kaum ein Bürgermeister die mühevolle Erschließung von Bauland im Innenbereich dem Freibrief für das Bauen auf der grünen Wiese vorziehen. Deutschland hat 11.162 Gemeinden mit durchschnittlich 30 Ortsteilen. Damit würden bis Ende 2019  300.000 Hektar Wohnbaufläche am Außenrand von Ortsteilen möglich. Das sind statistisch 274 Hektar Flächenverbrauch pro Tag in den nächsten drei Jahren – und das zusätzlich zu den normalen Planungen für Verkehrsflächen und Gewerbegebiete! Die tägliche Landüberbauung in Deutschland beträgt 81 Hektar. Die jetzige Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag von 2013 zum Ziel gesetzt, diese Zahl auf 30 Hektar pro Tag zu reduzieren. Der neue § 13 b des Baugesetzbuches würde alle Nachhaltigkeitsschwüre auf Jahre hinaus zunichte machen!

Bayern ist beim Flächenverbrauch Vorreiter. Seine Bevölkerungszahl hat sich seit 1980 um 15 % erhöht, die überbaute Fläche jedoch um 49 %. Die landwirtschaftliche Fläche verringerte sich im gleichen Zeitraum um 13 %. In Bayern gibt es seit einigen Monaten eine leidenschaftliche Diskussion zum Landverbrauch, weil die Bayerische Staatsregierung auch alle Ausfahrten von Autobahnen und vierstreifigen Bundesstraßen pauschal für Gewerbebauten freigeben will. Für Josef Göppel, auch Vorsitzender des Umweltarbeitskreises der CSU seit 1991, ist das ein Generalangriff auf die Schönheit und Lebensqualität Bayerns. In der Tat nannten erst 2016 bei einer Umfrage des Bayerischen Rundfunks „Warum leben Sie gerne in Bayern?“ 91 % die bayerische Landschaft. Deren Reiz liegt vor allem in klar abgegrenzten Ortsrändern und ausreichend großen Freiräumen zwischen den Orten. Ineinander verfließende Siedlungsbänder führen zu einem monotonen Gesamteindruck und überdecken die regionalen Eigenarten. Solche Gegenden werden für Gäste und qualifizierte Fachkräfte schnell langweilig.

Josef Göppel, seit 1970 Mitglied der CSU, hadert mit seiner Partei: „Die Münchner CSU-Regierung rückt politisch nach rechts, lässt beim Umgang mit dem Land aber den Kommerz frei walten. Das hat etwas von globalisiertem Spekulantentum, aber nichts mehr von behutsamer Einfügung des Neuen in Bestehendes, wie es gute konservative Regierungsführung verlangt.

Fränkische Bürgermeister schlugen kürzlich die Einführung einer Grundsteuer C vor. Damit bekämen Eigentümer einen finanziellen Anreiz, leerstehende Altbauten in den Ortskernen für neue Wohnungen nutzen zu lassen.

Weitere Information zu den vorgeschlagenen Gesetzestexten der BauGB-Novelle finden Sie hier.

 

Artikel vom: 16.01.2017 13:29